S. E. GROVE: WELTENRISS
Zeitreise-Romane gibt es eine Menge und manche haben wirklich Interessantes zu bieten.
US-Autorin S. E. Grove, die ihren Beruf als Historikerin und Weltreisende angibt, hat mit
ihrem Debütroman gleichwohl gewissermaßen das Rad neu erfunden.
Weltenriss. Die Karten der verlorenen Zeit lautet der Titel und hier springt
man nicht vor oder zurück. Grundsätzlich ist Zeit ja etwas, das linear fließt. Nicht so
in diesem Jugendroman, der zugleich der Auftakt zu einer Trilogie ist. Niemand weiß, was
an diesem 16. Juli 1799 geschah, als plötzlich rund um den Globus die Zeit
auseinanderbrach. Man nennt es von nun die Große Disruption und sie zieht
ihre unfassbaren Linien quer durch Länder und Kontinente.
Den Tag selbst schildert Elizabeth Elli, die den Schock als Kind erlebte, 1860 ihrem Enkel
Shadrack. Jetzt und hier in Boston, Hauptstadt von New Occident und im Jahr 1891
befindlich, weiß der geniale Kartograf um die schweren Probleme der unterschiedlichen
Zeiten in den einzelnen Zonen. Schon in nicht weit entfernten Städten schreibt man das
Jahr 1680 oder aber 1938 mit allen Konsequenzen. Man hört von England, das im 12.
Jahrhundert steckt, doch den Vogel schießen offenbar die Brachlande ab, der Westen
Nord-Amerikas, wo die Epochen und Kulturen nicht nur durcheinander laufen sondern sich
offenbar sogar verändern.
Wegen der vielen Gefahren durch Piraten und andere Elemente aus anderen Zeitebenen
beschließt das Parlament in Boston nun den Großen Patriotischen Plan, um die
Grenzen dicht zu machen. Gegen den Widerstand von Kartenmeister Elli, der nach Lösungen
des Grundproblems sucht. Als seine 13-jährige Nichte Sophia kurz darauf nach Hause kommt,
ist alles durchwühlt und nicht nur der Onkel ist verschwunden sondern offenbar auch all
die wohlgehüteten Schätze seiner Forschungsarbeiten.
Als Einzige trifft das Mädchen, das der Onkel in die Geheimnisse der Kartenkunst
einführen wollte, Theo an. Shadrak Elli hatte den Flüchtling aus den Brachlanden bei
sich aufgenommen, nun macht der nur ein paar Jahre Ältere sich gemeinsam mit Sophia auf
die Suche nach dem Verschwundenen auf. Womit eine haarsträubende Reise beginnt, denn es
stellt sich heraus, dass Shadrack Elli von einer mysteriösen verschleierten Frau namens
Bianca gefangen gehalten wird.
Die vermutet, dass es ihm gelungen ist, die sogenannte Carta Mayor
herzustellen, die womöglich die Große Disruption ungeschehen machen könnte. Sophia
hatte eine heimliche letzte Botschaft des Onkels vorgefunden: Geh zu Veressa.
Doch ihr und dem cleveren Theo heften sich nicht nur die Sandmänner auf die Fersen, die
skrupellosen Schergen Biancas. Die wilde Jagd führt zu Fuß, auf Piratenschiffen, mit
Pferdekarren und seltsamen Landseglern durch ständig wechselnde Szenerien, wo die jeweils
herrschende Zeit ja auch Erscheinungsbild und Verhaltensweisen der dort Lebenden prägt.
Immer turbulenter wird das Geschehen und Verfolgungsjagden auf Zugdächern sind dabei
längst noch nicht die verrücktesten Passagen. Das Alles entwickelt eine ungeheure
Sogwirkung, bis zum Ende hin die Fäden verknüpft werden. Doch vieles bleibt
offen, denn dies ist erst der Auftaktband. Was löste die Große Disruption aus? Kann man
sie umkehren? Aber auch Theos Vergangenheit oder das Verschwinden von Sophias Eltern auf
einer Forschungsreise gibt es noch vieles aufzuklären.
Dieser erste Band jedoch lässt nun garantiert nicht nur Leser im Teenager-Alter
ungeduldig auf die Fortsetzung hinfiebern. Ganz selten hat man eine solch hinreißend
erfundene andere Welt erlebt und die inzelnen Figuren faszinieren ebenso wie die
raffinierten Zeit-sprünge alle zugleich auf demselben Erdball. Wie gut, dass es
für diese grandiose aber auch anspruchsvolle und komplexe Geschichte auch Kartenmaterial
zur Orientierung im Buch gibt.
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