JENS ROSTECK: BREL
Der Musikwissenschaftler Jens Rosteck hat die erste große Biografie zu Jacques Brel
(1929-1978) auf Deutsch verfasst. Der erfahrene Biograf, der ähnliches bereits unter
anderem über Edith Piaf und Bob Dylan tat, greift dabei mit einer angehängten
Chronologie der Vita zu einem Kunstgriff, der ihm die Konzentration auf wesentliche
Entwicklungen und deren Deutung ermöglicht, ohne in Details zu versinken.
Brel. Der Mann, der eine Insel war ist das Buch überschrieben und diese
Charakterisierung ist ähnlich bedeutsam wie die Tatsache, dass bei Brel wie bei seiner in
vielem so ähnlichen französischen Kollegin Piaf die vier Buchstaben völlig ausreichen,
um ein legendäres Markenzeichen zu umreißen. Bei dem 1929 geborenen Belgier sollte sich
schon der familiäre Hintergrund als prägend erweisen, denn mag er auch vom bürgerlichen
Status seiner Familie profitiert haben, legte das relativ hohe Alter seines Vater, eines
mittelständischen Unternehmers, im Verbund mit dessen als langweilig empfundenen
Lebensstil sowie des Schulbesuchs auf einem katholischen Institut eine dauerhafte
Ablehnung des Erwachsenseins.
Wie Jacky als Widerstandsgeist und Schulabbrecher die Jahre der deutschen
Besatzung quasi als eine Befreiung empfand und sich in der Nachkriegszeit seinen Weg ins
Künstlerleben suchte, beschreibt Rosteck ebenso einfühlsam wie nachvollziehbar.
Äußerlich eher ein Ritter von der traurigen Gestalt und schon früh
und kategorisch auf immer - mit der ein paar Jahre älteren Miche verheiratet, betörte er
schon zu Beginn seines Siegeszuges als Chansonnier mit ungeheurem Charisma.
Und er verkörperte seine Lieder, in denen er das Bürgertum mit Spott überzog, seine
Verehrung für raue Matrosen-Romantik zelebrierte und sich in einzigartiger Weise der
Liebe widmete. Wobei ausgerechnet die Frauen nicht sonderlich gut wegkamen, obwohl oder
vielleicht auch weil er ihnen so rettungslos verfallen war. Immerhin unterhielt er
zeitweise bis zu vier Geliebte nebeneinander. Natürlich strikt voneinander getrennt.
Gleichwohl lag gerade auch das weibliche Publikum dem ziemlich hässlichen Künstler bei
seinen Bühnenauftritten zu Füßen, denn er sang seine hinreißenden Lieder nicht einfach
nur, er präsentierte sie in unvergleichlicher Weise, machte die Auftritte zu kleinen
Dramen mit ekstatischer Mimik und Gestik bis zur völligen Verausgabung. Seine
atemberaubenden Auftritte füllten in seiner Hochzeit von 1961 bis 1967 die größten
Arenen weltweit, wobei er seinen ersten Triumph im Pariser Olympia ausgerechnet Marlene
Dietrich verdankte, die kurzfristig abgesagt hatte.
Entscheidend für seinen legendären Erfolg aber war sein Wirken als ein Gigant der
Liedkunst, wie Rostek ihn nennt und es auch kenntnisreich anhand einiger
Meisterwerke wie Ne me quitte pas oder Amsterdam beschreibt. Doch
er lässt auch keinen Zweifel an Brels schwierigem Charakter, seiner Egomanie und
Unberechenbarkeit. Immer umtriebig huldigte er neben den Frauen der Schauspielerei, der
Fliegerei und dem Segeln.
Dem er sich nach seinem plötzlichen Asstieg aus dem Konzertleben im Mai 1967 so intensiv
hingab, dass er 1974 sogar mit Tochter France und der Dauergeliebten Maddly zur
Weltumseglung aufbrach. Um schließlich sein Paradies auf der Insel Hiva Oa zu finden,
genau jenem Südsee-Eiland, auf dem seinerzeit schon der Maler Gauguin das seine fand.
Das der ausgelaugte Kettenraucher nur noch einmal wegen seiner Lungenkrebserkrankung
verließt. Um schließlich mit nur 49 Jahren sein Grab gleich neben dem Gaugcins an seinem
Sehnsuchtsort zu finden. Fazit: mehr Hommage als Biografie im klassischen Sinne, lässt
diese Untersuchung des prall gefüllten Lebens eines wahren Ausnahmekünstlers dennoch
keine Wünsche offen.
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