CANDICE FOX: „HADES“


Hades Archer ist nicht nur Herr über eine riesige Mülldeponie bei Sydney, er gilt auch als Herr der Unterwelt, der über sämtliche kriminellen Machenschaften bestens bescheid weiß. Vor allem aber ist er auch eine Anlaufstelle, wenn Opfer sicher entsorgt werden müssen.
Als eines Nachts jedoch eine finstere Type mit zwei blutverschmierten Bündeln kommt, in denen bewusstlose Kinder stecken, trifft der stoische Finsterling eine folgenschwere Entscheidung: er erschießt den Lieferanten und rettet die Kinder, die die Ermordung ihrer Eltern miterleben mussten. Diese Eingangssequenz spielt vor über 20 Jahren und ist der rabiate Auftakt zu „Hades“, mit dem die dafür preisgekrönte, recht exzentrische Australierin Candice Fox ihren Durchbruch als Autorin erzielte.
Nach dieser Eröffnung springt der Roman in die Gegenwart, in der Frank Bennett vom Morddezernat in ein neues Kommissariat kommt und Partner von Eden Archer werden soll, deren bisheriger Kollege erschossen wurde. Der langjährig erfahrene Ermittler hält sich zunächst für einen Glückspilz, denn diese junge Kollegin ist ein dunkelhaarige Schönheit mit rätselhafter Ausstrahlung. Und erweist sich bald als ähnlich schwierig und extrem eigenwillig wie ihr Bruder Eric, der sogar der zynische Herrscher des Kommissariats zu sein scheint.
Doch nun gilt es, den ersten Fall anzugehen, bei dem sich offenbar ein Serienkiller austobt. Erst hatte man einem traumatisierten Opfer seine Schilderungen nicht recht geglaubt, bis dann Polizeitaucher reihenweise große Werkzeugkisten aus dem Meer fischen, Inhalt: menschliche Körper, denen jeweils mindestens ein Organ fehlt. Und hier setzt der rote Faden der Ermittler ein, denn bald schon trügt die Ahnung nicht mehr, dass da kein Irrer seltsame Triebe auslebt.
Dieser extrem skrupellose Mörder tut vielmehr etwas aus seiner Sicht Vernünfiges. Er nimmt für zahlungskräftige Kranke und Todgeweihte Lebendtransplantationen vor. Die unfreiwilligen Spender sucht er vorm Kidnapping gezielt aus. Die Jagd nach ihm gestaltet sich ebenso atemlos wie stark geschrieben und wäre doch nur gute Konfektionsware ohne die parallelen Handlungen.
Allmählich schält sich die monströse Entwicklung der von Hades geretteten Geschwister heraus. Ihre vom frühkindlichen Erleben deformierten Seelen haben offenbar Killerinstinkte freigesetzt. Dennoch liebt der hartgesottene Hades diese „zwei Ungeheuer in Kindergestalt“, die er schon in jungen Jahren beim Morden überrascht, wie ein Vater. Und er kanalisiert die dunklen Triebe dieser hochintelligenten Psychopathen, damit sie sich gegen jene anderen Monster richten, die da draußen ihr Unwesen treiben. Vor allem aber sorgt er dafür, dass sie in den Polizeidienst eintreten.
Rasant und ungeheuer fesselnd fließen die Handlungsstränge von der Jagd nach dem Organjäger, der Rückblicke in die nachtdunkle Vergangenheit von Eden und Eric sowie einem im Verborgenen tobenden Rachefeldzug als wahrer Psychothriller und zugleich pechschwarzer hard-boiled Krimi ineinander. Ein wahres Meisterwerk des Genres tut sich dabei auf und kommt doch ohne explizite Grausamkeiten oder Folterszenen aus.
Aber auch so lässt die Abgründigkeit des Geschehens frösteln und die Charaktere erweisen sich als faszinierende Typen. Fazit: ein exzellenter Genuss für anspruchsvolle Krimi-Freunde. Zu dem es eine zusätzliche gute Nachricht gibt: weitere Fälle erscheinen in naher Zukunft.

# Candice Fox: Hades (aus dem Englischen von Anke Caroline Burger); 341 Seiten, Klappenbroschur; Suhrkamp Verlag, Berlin; € 14,99

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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