ELIZABETH FREMANTLE: „IM SCHATTEN DER KÖNIGIN“

 
Als Edward VI. im Sommer 1553 überraschend nach nur sechs Jahren auf dem Thron auf den Tod erkrankt, will der einzige Sohn von König Henry VIII. unbedingt verhindern, dass seine katholische Halbschwester Mary Tudor seine Nachfolgerin wird und die protestantischen Reformen zunichte macht. Auf dem Sterbebett ändert er deshalb die Erbfolge, so dass Jane Grey, eine Nichte zweiten Grades, Thronerbin wurde.
Die 16-Jährige wurde als Neun-Tage-Königin zur traurigen berühmtheit, denn Mary Tudor entmachtete sie umgehend und riss die Regentschaft an sich. Während Jane Grey auf dem Schafott endete, zitterten ihre jüngeren Schwestern Katherine und Mary um ihr Leben. Die Königin blieb nicht nur selbst kinderlos, diese beiden Hofdamen waren potentielle Thronerbinnen.
Trotz angeblicher Konvertierung zum katholischen Glauben, den Mary in ihren wenigen Jahren auf dem Thron als „Bloody Mary“ mit vielen protestantischen Opfern wieder durchzusetzen versuchte, blieben die beiden Schwestern dem Misstrauen und den Launen der Königin hilflos ausgesetzt. Und dies ist zugleich der Einstieg in Elizabeth Fremantles zweiten Tudorzeit-Roman „Im Schatten der Königin“. Sie stellt beide Schwestern als Ich-Erzählerinen in den Vordergrund und fügt als dritte neutralere Berichterstatterin die Hofmalerin Levina Teerlinc hinzu. Wie alle Protagonisten ist auch sie eine historisch verbürgte Persönlichkeit und ebenfalls zu finden in dem hilfreichen Personentableau im Anhang.
Während in der Literatur als Thronkonkurrentin stets Mary Stuart eine gewichtige Rolle spielt, macht es den besonderen Charme aus, dass hier die bildschöne kapriziöse Katherine und die kleinwüchsige und verwachsene Mary im Vordergrund stehen. War die fanatische katholische Mary vor allem für Katherine eine lebensgefährliche Bedrohung, sollte sich auch nach ihrem Tod die vage Sicherheit alsbald als höchst gefährdet erweisen, denn als nun die protestantische Elisabeth I., Tochter von Henry VIII. und Anne Boleyn, die Herrschaft antritt, fürchtet sie allenthalben Verrat.
Mag die wenig ansehnliche Mary Grey auch keinerlei Gefahr für Elizabeths Regentschaft darstellen, begeht Katherine in ihrem Leichtsinn den fatalen Fehler, ohne Erlaubnis der Königin zu heiraten und alsbald einen Sohn zu gebären. Auf Befehl Elizabeths wird sie in den Tower gebracht. Wo sie sich endgültig ins Abseits bringt, als sie mit dem ebenfalls dort gefangen gehaltenen Ehemann einen zweiten Sohn zeugt.
Doch auch Mary gerät bald in Gefangenschaft, weil sie gleichfalls unerlaubt heiratet. Die immer mächtiger werdende letzte Tudor-Herrscherin aber duldet keine potentiellen Thronerben neben sich und hält beide Schwestern mit drakonischen Mitteln von sich fern. Dass Beide keinerlei Ambitionen hegen, hilft ihnen nicht, denn das königliche Blut in ihren Adern ist Gefahr genug.
Elizabeth Fremantle hat für diesen Roman vor dem realen Hintergrund intensiv recherchiert und schafft ein authentisches Zeit- und Lokalkolorit. Unruhig und spannend war die Tudor-Zeit ohnehin und das spürt man hier allenthalben. Wenn es allerdings eines zu bemängeln gibt, dass ist es diese sehr weibliche Prosa – zumindest in der deutschen Übertragung – die männliche Leser schnell Abstand von der Lektüre nehmen lassen dürfte.

# Elizabeth Fremantle: Im Schatten der Königin (aus dem Englischen von Sabine Herting); 480 Seiten; C. Bertelsmann Verlag, München; € 19,99

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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