MICHAEL CONNELLY: „GÖTTER DER SCHULD“


Längst ist US-Erfolgsautor Michael Connelly mit seinen exzellenten Gerichtsthrillern in die Liga von Stars wie John Grisham und Scott Turow aufgestiegen. Das stellt er mit auch mit seinem neuen Fall um den Strafverteidiger Mickey Haller wieder unter Beweis.
Mit dem Titel „Götter der Schuld“ sind jene zwölf Geschworenen gemeint, die in amerikanischen Gerichtssälen in Strafverfahren über Schuld eines Angeklagten entscheiden. Es sei denn, ein cleverer Anwalt bringt das Verfahren trickreich zu Fall, wie Haller dies zur Einleitung des neuen Romans demonstriert. Die fingierte Attacke seines Mandanten auf ihn wäre ein glatter Fall für die Ethikkommission. Wenn der Trick denn aufflöge.
Ansonsten drücken den „Lincoln-Lawyer“ - so benannt, weil er statt ein Büro zu unterhalten, dafür eine der großen Lincoln Town Cars nutzt – ganz andere Sorgen. Das Zerwürfnis mit seiner 16-jährigen Tochter Hayley nagt an ihm, zumal er sich in der Schuld sieht. Mit viel Cleverness hatte er einen Freispruch für einen besoffenen Autofahrer durchgeboxt, der gleich darauf und wieder unter Alkohol eine Frau und deren Tochter, eine Klassenkameradin Hayleys, totfuhr.
Doch der Fall hatte außerdem auch noch einen Strich durch eine politische Bewerbung gemacht. Um so begieriger greift er zu, als ihn André La Cosse überraschend und vor allem als zahlungskräftiger Mandant in einem lukrativen Fall anheuert: die Anklage lautet auf Mord. Der junge Mann arbeitet als Webdesigner und verdient sich eine goldene Nase als eine Art „digitaler Zuhälter“ mit Webseiten für Edel-Prostituierte.
Nun aber soll er Top-Girl Giselle erwürgt haben. Im Nu findet Haller heraus, dass Giselle in Wirklichkeit Gloria Dayton hieß und vor einiger Zeit (und in einem früheren Roman der Reihe!) seine Mandantin war. Er hatte sie mit einem gewagten Deal von der Drogenanklage freibekommen, ihr aber dringend einen Ortswechsel ganz weit weg angeraten. Doch sie war in Los Angeles geblieben und offenbar fanden nun gefährliche Leute, dass sie zu viel wusste. Entsprechend glaubt Haller umgehend, dass sein Mandant tatsächlich unschuldig und in großer Gefahr ist.
Wer Gerichtsthriller zu schätzen weiß, erlebt nun ein hinreißendes Katz- und Mausspiel mit immer neuen Winkelzügen und Überraschungen, die auch ohne große Actionszenen immer mehr fesseln. Minutiös schildert der ausgebuffte Mickey Haller als schnörkelloser Ich-Erzähler die raffiniert ausgetüftelten Strategien wie auch den höchst sensiblen Umgang mit der Richterin als beinahe allmächtiger Herrin des Verfahrens.
Hartleibige Zeugen der Gegenseite zu enttarnen, scheinbar längst kalte Fälle als virulent aufzudecken und schließlich den gesamten Fall in ganz andere Dimensionen zu reißen, das gelingt Connelly in meisterhafter Dramaturgie. Dazu entwickelt er starke Charaktere wie unter anderem als neue Mitarbeiterin die hochtalentierte Nachwuchsanwältin Jennifer Aronson.
Wie der Fall samt knalligem Clou im Finale ausgeht, sei hier natürlich nicht verraten. Festzustellen ist jedenfalls, dass wie schon „Der Mandant“ auch dieser Thriller obendrein absolut filmreif ist.

# Michael Connelly: Götter der Schuld (aus dem Amerikanischen von Sepp Leeb); 508 Seiten; Droemer Verlag, München; € 19,99

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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