JENNY DOWNHAM: DIE
UNGEHÖRIGKEIT DES GLÜCKS
Plötzlich hat die 17-jährige Katie eine Großmutter und ihre so gestrenge Mutter
Caroline eine nur vermeitnlich verschwundene Mutter. Nur hächst unwillig nimmt sie die
alte, bereits deutlich unter Alzheimer leidende Mary bei sich auf. Deren jetzt verstorbene
Partner Jack hjatte das so verfügt und vorerst gibt es keine Alternative.
Damit beginnt der neue Roman der englischen Erfolgsautorin Jenny Downham mit dem Titel
Die Ungehörigkeit des Glücks. Während Caroline sich kalt und abweisend
verhält und händeringend um eine Möglichkeit bemüht, die alte Dame umgehend wieder
loszuwerden, setzt zwischen Katie und der ihr bisher unbekannten Oma eine intensive
Annäherung ein, die beiden sehr gut tut. Katie hat wenig Selbstbewusstsein und steht ganz
unter der Fuchtel der Mutter. Die hält sie auf einer ehrgeizigen Linie von Fleiß und
Gehorsam und kontrolliert sie ähnlich streng wie ihren lernbehinderten Bruder. Erst
kürzlich sind sie in die Heimatstadt Carolines umgezogen, nachdem sich der Familienvater
zu seiner jungen Freundin und dem gemeinsamen Baby abgesetzt hat. Was Carolines ohnehin
begrenzte Lebensbejahung nicht eben beflügelt.
Mary aber bringt ungewohntes Leben in die Familie, so sehr Caroline das auch missfällt.
In Katie dagegen entfachen die oft bruchstückhaften und verwirrenden Erzählungen der Oma
ein ganz eigenes Feuer und sie richtet eine regelrechte Erinnerungswand in
ihrem Zimmer ein,
in dem Mary nun bis auf weiteres wohnt. Nicht immer ist gewiss, ob auch alles stimmt, doch
aus immer neuen Bruchstücken entsteht das faszinierende Gesamtbild einer bewegenden
Familiengeschichte.
Katie hatte gewissermaßen keine Vergangenheit, denn die hatte Caroline stets strikt unter
dem Deckel gehalten und jede Erwähnung darüber abgelehnt. Dabei sind es so viele
Blaupausen von schiefgelaufenen Lebensplänen, deren wohlgehütete Geheimnisse nach und
nach entlarvt werden. Der eigentliche Sündenfall begann, als die ungebädirge Mary mit 17
ein uneheliches Kind bekam: Caroline. War sie bisher schon weitgehend von ihrer älteren
Schwester Pat aufgezogen worden, übernahm diese nun auch Marys Kind als das eigene.
Was die quirlige junge Mutter schweren Herzens akzeptierte, da ihr Vater sie verstieß und
sie ohnehin nach London wollte, um Karriere zu machen. Bei aller Abenteuerlust, die in den
munter sprudelnden Erinnerungen geradezu ansteckend in den zuweilen unzuverlässig
wirkenden Geschichten durchscheint, empfand Mary Sehnsucht nach ihrem Kind. Die ohnehin
stets eifersüchtig gewesene Pat jedoch schob auf drastische Weise einen Riegel vor jede
Annäherung. Nur einmal gelang es Mary, Caroline als Kleinkind zu sehen. Erst als diese
später selbst zwei Kinder hat und die ungebärdigen Gene der Mutter sich für einen
Ausbruch aus dem geordneten Eheleben regen, ist Mary ein kurzes Glück mit ihren Enkeln
gegönnt. Das die reumütig heimkehrende Caroline harsch beendet und jeden Kontakt
abbricht.
Wie Katie Katie unter den Schilderungen der Großmutter so weit aufblüht, dass sie sich
sogar dazu zu bekennen mag, lesbisch zu sein, wie die Entfremdung zwischen Mary und ihrer
Tochter zumindest milder wird und wie diese drei so unterschiedlichen Persönlichkeiten
gerade angesichts der heimtückischen Vergessenskrankheit der hinreißenden Mary einander
näherkommen, das ist hinreißend beschrieben. Jenny Downham hat hier gleich mehrere
Problemfelder miteinander verbunden und es gelingt ihr zu bewegen ohne je ins Kitschige
abzugleiten.
Wenn dabei mit viel psychologischem Einfühlungsvermögen sämtliche Schilderungen sehr
autentisch wirken, so liegt das darin begründet, dass die Autorin hier auf eigene
Erfahrungen mit ihrer demenzkranken Mutter zurückgreifen konnte. Fazit: ein zutiefst
menschliches Stück Literatur von hoher Qualität und Aktualität.
|