DIANA ROSIE: „ALBERTOS VERLORENER GEBURTSTAG“


Alberto Romero ist über 80 und seit einigen Jahren verwitwet. Außer der täglichen Arbeit auf seinem Gemüsefeld erfreut sich der gutmütige, bescheidene Gärtner am meisten an seinem siebenjährigen Enkel Tino. Nun aber liegt Schwiegersohn Juan Carlos nach einem schweren Arbeitsunfall im Koma und Alberto ist als Betreuungsopa ganz besonders gefragt.
Damit beginnt Diana Rosies außergewöhnlicher Roman „Albertos verlorener Geburtstag“, der nicht nur von einem besonderen Großvater-Enkel-Verhältnis erzählt, sondern auch tief in die Geschichte Spaniens führt. Tino übernachtet also bei seinem „Apu“, wie er ihn nennt, weil die Mutter am Bett des lebensgefährlich verletzten Vaters Wache hält. Alberto versucht so gut wie möglich, den ebenso munteren wie sensiblen Kleinen von den drückenden Gedanken ablenken.
Dabei findet Tino heraus, dass der Apu noch nie einen Geburtstag gefeiert hat, weil er nicht einmal weiß, wann und wo er geboren ist. Aufgewachsen ist er nämlich in einem Waisenhaus, seit er so alt wie Tino war. Das war damals in der finstersten Ära Spaniens, dem Bürgerkrieg. Er weiß nicht einmal mehr, durch welche Ereignisse er sein Gedächtnis an alles vor jenem Frühjahr 1937 verloren hat.
Alberto hat nie nach alten Spuren gesucht, Tino aber will nicht hinnehmen, dass der liebe alte Apu noch nie eine Geburtstagsfeier gehabt hat. Eher ihm zuliebe als eine Art Therapie gegen die Alpträume vom drohenden Tod des Vaters lässt sich Alberto darauf ein, wenigstens nach dem einstigen Waisenhaus Ausschau zu halten. Womit allerdings eine einzigartige Reise von Großvater und Enkel in die Vergangenheit beginnt, denn erste Begegnungen führen zu immer neuen Mosaiksteinen. Und wecken allmählich Albertos Sehnsucht nach etwas Wissen um die eigenen Wurzeln.
Doch diese Geschichte entwickelt ihre immense Sogwirkung weniger durch die einzelnen Stationen, vielmehr fesselt sie durch eine meisterhafte Dramaturgie, in der die gegenwärtige Erzählung jeweils durch Ich-Erzähler von damals unterbrochen wird. Das beginnt am 7. März 1937 mit Isabel, der segensreichen Köchin des Waisenhauses, bei der der verstörte unbekannte Waisenjunge abgeliefert wird.
Immer weiter führen diese teils längst verstorbenen Berichterstatter in ihren Episoden zurück zu Albertos Wurzeln. Das hat auch Härten, ganz entsprechend der schlimmen Zeit mit dem von hasserfüllter Unbarmherzigkeit geprägten Aufeinanderprallen der Bürgerkriegsparteien. Insgesamt aber ist dieser wunderbare Roman von solch großartiger Menschlichkeit, dass er zutiefst rührt, ohne dabei jedoch in Rührseligkeit zu verfallen.
Fazit: ein recht einfach geschriebenes aber raffiniert konzipiertes literarisches Juwel.

# Diana Rosie: Albertos verlorener Geburtstag (aus dem Englischen von Gabriela Schönberger); 334 Seiten; Knaur Verlag, München; € 16,99

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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