STEPHANIE TROMLY: „DIGBY #01“


Zoe Webster hat es nach der Scheidung ihrer Eltern mit ihrer Mutter aus Brooklyn in das Städtchen River Heights außerhalb von New York verschlagen. Die neue Highschool ödet die 16-Jährige an, sie wird geschnitten und ist fest entschlossen, so bald wie möglich das Angebot ihres bräsigen Vaters zu einer Privatschule zu wechseln anzunehmen.
In diese Teenagermisere platzt Digby, lang und hager im schwarzen Anzug, immer irgendwie gelangweilt wirkend. Und – auf unerklärliche Weise hat er Zoe gewissermaßpen auserkoren und zieht die sich Sträubende in seine Welt. Von den schrägen Abenteuern dieses chaotischen Duos wider Willen erzählt Stephanie Tromlys Jugendroman „Digby #01“. Dabei geht es keineswegs um eine Romanze, auch wenn zu Digbys wenigen engen Freunden der bildschöne Henry Petropoulos gehört. Der Quarterback der Schulmannschaft ist jedoch mit der eingebildeten Schulprinzessin Sloane aus reichem Hause zusammen, die ihrerseits Zoe vom erste Tag an anfeindet.
Gleich die ersten Zwischenfälle, die Zoe mit diesem Philip Digby erlebt, lassen ahnen, dass der Lulatsch stets zu hinreißend krassen und ziemlich anarchistischen Ideen neigt, in kritischen Momenten jedoch genau das nicht hat, was so dringend nötig wäre: einen Plan B. Wozu er aber Zoe „angeheuert“ hat, ist eine durchaus ernste Angelegenheit, denn die Schulkameradin Jane Miller ist über Nacht spurlos verschwunden.
Digby hat Vermutungen, vor allem aber erfährt Zoe, dass vor neun Jahren die kleine Sally Digby ebenso in der Nacht entführt wurde, obwohl ihr Bruder und die Eltern daheim waren. Sie wurde nie gefunden und Digby stellt nach der Scheidung der Eltern und vielen anderen Schwierigkeiten fest: „Ich bin es leid, der Junge mit der entführten Schwester zu sein.“ Was er nun alles anzettelt – und Zoe stets mehr oder weniger freiwillig an seiner Seite – ist haarsträubend und führt zum Beispiel zu einem nächtlichen Einbruch in die Praxis eines zwielichtigen Frauenarztes.
Sie werden beschossen, sie werden verhaftet und begeben sich immer wieder auf gefährliches Terrain. Zwischendurch erscheint Digby gern unangemeldet bei Zoe zuhause, so wie sie auch zu jeder Gelegenheit etwas gegen seinen Dauerhunger tun muss. Seine Wurstigkeit führt aber auch zu handgreiflichen und folgenreichen Konfrontationen mit Ezekiel aus der Villa direkt gegenüber dem Haus, das Zoes Mutter angemietet hat.
Ezekiel gehört zu der seltsamen Schar von Kindern und Jugendlichen unter der Fuchtel der gewaltigen Misses Zillah, offenbar Sektierer oder noch Schlimmeres. Die Ereignisse überschlagen sich, sie bekommen es mit echten Gangstern zu tun, ein Haus fliegt in die Luft und Digby wühlt sich – und natürlich Zoe – immer wilder ins Chaos. Das Alles strotzt vor Situationskomik, würde aber halb so viel Vergnügen bereiten, wenn die Typen nicht so herrlich erfunden wären. Als es dann zum absoluten Höhepunkt des Romans kommt, spielt auch noch der kleinwüchsige gerade zwölfjährige Schul-Nerd Felix eine wichtige Rolle und ausgerechnet er lädt Zoe zum Herbstball der Schule ein.
Schon der Weg zu diesem Ball ist eine überdrehte Screwball-Comedy, das Fest selbst aber – oder das, was Digby und seine Mitstreiter daraus machen – wird zum ebenso überkandidelten wie hochspannenden Riesenspaß. Entscheidenden Anteil an der hohen Qualität des Romans hat bei all den dreisten, cleveren und oft knochentrocken witzigen Passagen der ernstzunehmende Hintergrund durch die unglücklichen Lebensumstände beider Hauptfiguren, der ihnen die nötige Tiefe gibt.
Fazit: ein nahezu perfekter Lesegenuss, gerade weil seine Figuren sympathisch aber nicht perfekt sind. Ein Roman, der nicht nur junge Leser ab etwa 15 Jahren begeistern dürfte sondern jung gebliebene Erwachsene. Und noch eine gute Nachricht – einiges deutet darauf hin, dass ein ein „Digby #02“ geben könnte.

# Stephanie Tromly: Digby #01 (aus dem Amerikanischen von Sylke Hachmeister); 364 Seiten; Oetinger Verlag, Hamburg; € 14,99

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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