NAOMI WOOD: ALS HEMINGWAY
MICH LIEBTE
Ernest Hemingway (1899-1961) war in vielerlei Hinsicht ein außergewöhnlicher Mann. Zu
seinen Besonderheiten gehörte außer seinem literarischen Genie und dem Draufgängertum
vor allem auch sein Hang zu Frauen und das nicht einfach so. Wobei die Zahl der Frauen,
die er auch heiraten wollte, die Besonderheit ist.
Vier wurden es schließlich und nach einigen Büchern über einzelne dieser Ehen hat sich
Naomi Wood dem gesamten Quartett gewidmet. Als Hemingway mich liebte ist zu
einem exquisiten Roman geraten, dem es gelingt, die insgesamt ja weitgehend bekannten
tatsächlichen Ereignisse zu einer ebenso fesselnden wie authentisch erscheinenden
Vierfachgeschichte zu formen.
Hadley, Pauline, Martha und Mary werden ausgesprochen lebendig und das Geschehen zieht
sich von Paris über Key West/Florida über Kuba bis Ketchum/Idaho. Jede der Frauen
bekommt ihren Part, doch sie spielen jeweils auch ihre Rollen im Lebensabschnitt der
Nachfolgerin an der Seite Hemingways. Eben das war eine der Merkwürdigkeiten im
verdrehten Charakter des Schriftstellers während er die Ehefrau noch liebte, war
da bereits die Geliebte, die Anwärterin auf die nächste Ehe.
Erzählt wird das jeweils aus der Perspektive der Betroffenen, wie sie hofft und wie sie
leidet, wie sie ihn trotzdem liebt. Liebe, Leidenschaft, Eifersucht und Verrat wechseln
sich ab und ein erratischer Mann von großer Attraktivität, viel Charisma und einer
unstillbaren, irgendwie schwankenden Sehnsucht nach Halt und Geborgenheit mittendrin. So
exzellent es der Autorin gelingt, den ja durchweg sehr interessanten Frauengestalten ein
glaubhaftes Gesicht zu geben, in seinem Schwanken zwischen Stimmungsaufwallungen von
Zärtlichkeit, jungenhafter Verletzlichkeit, Macho-Gehabe und der steten Trunksucht
zeichnet sie ein brillantes Bild insbesondere von Papa Hemingway.
Gleichwohl werden die vier so ungleichen Frauen zu den beeindruckenden Heldinnen, die sie
im wirklichen Leben waren. Man weiß ja um die spätere Tragik, wenn die ihm in manchem so
ähnliche Kriegsberichterstatterin Martha Gellhorn 1936 beim Kennenlernen Hemingway
selbstbewusst klarmacht: Ich bin keine Frau, die dazu neigt, verlassen zu
werden. Und man ahnt, wie weit Mary Welsh seinem Ideal als Ehefrauz womöglich nahe
gekommen ist, wenn sie seine letzten Stunden und die Zeit ihrer Trauer beschreibt.
Hemingway liebte den Halt in der Ehe und meinte, besser schreiben zu können, wenn da eine
liebende Frau war, die ihn vor der Welt schützte. Andererseits jedoch gierte er nach
Herausforderungen und Aufregung als Motor seines Schreibens. Dieser Roman macht souverän
spürbar, wie die vier Ehefrauen unter dieser nie geglätteten Widersprüchlichkeit
litten, jede zu ihrer Zeit und auf ihre Weise.
Naomi Wood ist das Wagnis eines großen Hemingway-Romans um gleich fünf herausragende
reale Persönlichkeiten mit klarer kühler Prosa angegangen, die mit Eleganz in geradezu
abgeklärtem Stil zu überzeugen weiß. Zum exzellenten literarischen Genuss trägt im
Übrigen die hervorragende Übertragung ins Deutsche bei.
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