MICHAELA
& KARL VOCELKA: FRANZ JOSEPH I.
Mitten im Ersten Weltkrieg vor jetzt 100 Jahren starb Kaiser Franz Joseph I. nach fast
68-jähriger Regentschaft. Es gibt zwar einige Biographien zu dem Habsburger-Monarchen, in
der öffentlichen Wahrnehmung stand er jedoch stets hinter zwei ungleich spektakuläreren
Familienmitgliedern zurück: seiner Gattin Elisabeth, der berühmten Sisi,
sowie seinem Sohn, Kronprinz Rudolf, der sich unter skandalösen Umständen umbrachte.
Um so verdienstvoller ist die neue, kompakt gehaltene Biographie Franz Joseph I. -
Kaiser von Österreich und König von Ungarn 1830 1916 von Michaela und Karl
Vocelka. Die Archivarin und Mitarbeiterin des Simon-Wiesenthal-Archivs und der vormalige
Professor für Österreichische Geschichte an der Universität Wien haben darin eine
gelungene Synthese des aktuellen Forschungsstandes zur Persönlichkeit des Monarchen wie
auch der politischen Geschichte seiner Regierungszeit von 1848 bis 1916 erarbeitet.
Franz Joseph bestieg den Thron als Hoffnungsträger, als sein Vorgänger und Onkel Kaiser
Karl I. im Zuge der 48er-Aufstände abdankte. Allerdings war der 18-Jährige nicht umsonst
maßgeblich von einem Erzkonservativen wie dem legendären Fürsten Metternich in
politischen Angelegenheiten erzogen worden und deshalb auch ganz und gar überzeugt vom
Gottesgnadentum. Das mag zudem eine Erklärung sein für einige gravierende und
folgenreiche Fehlentscheidungen seiner früheren Kaiserjahre.
So enttäuschte er 1853 den russischen Zaren, als er ihn im Krim-Krieg allein ließ,
andererseits musste Franz Joseph 1866 die Niederlage gegen Preußen und den Verlust des
Einflusses auf die Deutsche Frage erleben, als sich 1870/71 das Deutsche Kaiserreich
konstituierte. Doch immer wieder machen die Autoren deutlich, dass Franz Joseph ohnehin
kein Mann von Visionen war und überwiegend ein Reagierender, der sich nur unumgänglichen
Veränderungen unterwarf, ohne sie zuvor maßgeblich beeinflusst zu haben.
Hinzu kamen immer wieder persönliche Katastrophen, nachdem er selbst noch 1853 einem
Messerattentat überaus glücklich entkommen war. Als 1867 der Ausgleich mit Ungarn gelang
und er Herrscher der Doppelmonarchie Österreich-Ungarn wurde, war das zwar ein Höhepunkt
seiner Herrscherzeit, der dem riesigen Vielvölkerreich eine jahrzehntelange Ära von
Stabilität und Prosperität bescherte. Doch just in diesem Jahr erlitt Franz Joseph auch
den ersten großen schmerzlichen Verlust, als sein Bruder Maximilian als Kaiser von Mexiko
durch Revolutionäre zum Tode verurteilt und hingerichtet wurde.
1889 schließlich nahm sich Kronprinz Rudolf auf Schloss Mayerling gemeinsam mit seiner
bürgerlichen Geliebten das Leben. Noch unmittelbarer jedoch traf den Kaiser 1898 die
Nachricht vom Tode seiner Gattin durch die Messerattacke eines Anarchisten. Er hatte seine
Sisi 1854 in einer echten Liebesheirat geehelicht und sie trotz der späteren Spannungen
und Entfremdungen bis zuletzt geliebt. So wird der resignierte Satz des ansonsten
äußerst disziplinierten Monarchen verständlich: Mir bleibt doch gar nichts
erspart auf dieser Welt!
Als Oberhaupt des Vielvölkerstaates verkörperte er in den späten Jahren in der Meinung
seiner Untertanen die gute alte Zeit und am Ende seiner Regentschaft kannte
kaum ein Bürger einen anderen Herrscher als diesen Lebenszeitkaiser. Während es
rundherum mit dem aufstrebenden Industriezeitalter, den starken Wandlungen im
europäischen Machtgefüge und neben diversen außenpo- litischen Krisen auch solche in
der Innenpolitik gab, lebte Franz Joseph weitgehend abgeschirmt vom Alltagsgeschehen ein
altertümliches Hofleben, zu dem fleißige Arbeit und wenig Geselligkeit gehörten.
Seine privaten Ausflüge und einige Langzeitaffären des angeblich einst ungestümen
Liebhabers erscheinen da kaum als Gegensatz, wenngleich Franz Joseph durchaus zu
Widersprüchlichkeiten in Charakter und Verhalten neigte. Als jedoch im Alter die Moderne
sich bahn brach und außenpolitisch Bedrohliches heraufzog, war dieser offenbar nur
mittelmäßig begabte und zur Zögerlichkeit neigende Herrscher einer vor allem auch
militärisch altmodisch gewordenen Großmacht nicht willens und in der Lage, irgendwelche
Impulse zu setzen.
Die Autoren lassen die Fakten sprechen und enthalten sich einer gesonderten Würdigung der
Person Franz Josephs. Klar und sachlich schildern sie chronologisch dicht Glanz und Elend
des letzten großen Habsburger Kaisers als gütigen Landesvater, als vermeintlichen
Hoffnungsträger und tragische, überforderte Figur der Geschichte. Fazit: eine
hervorragende Biographie zur Person und deren Ära und insbesondere für interessierte
Laien ein spannendes Geschichtswerk.
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