HELEN
HODGMAN: JACK UND JILL
Trotzig lief Jill auf die Veranda und wartete, dass ihre Mutter sie suchte. Doch sie
kam nicht. Sie starb an diesem Nachmittag. Wütend über so viel Vernachlässigung,
hüpfte Jill auf dem Bett herum, zog ihre Mutter an den Haaren und krähte ihr erste Worte
ins kalt wächserne Ohr.
Solche Sätze gleich auf der ersten Seite eines Romans lassen einen schaudern und dies um
so mehr, wenn man dazu erfährt, dass sich dieser Szene Tage anschließen, bis der Vater
von Ausbesserungsarbeiten auf dem weitläufigen Farmgelände heimkehrt. Dass so etwas
prägende Spuren hinterlässt, liegt auf der Hand, und davon erzählt Helen Hodgmans
dunkle, abgründige Liebesgeschichte Jack und Jill.
Erst jetzt gibt es dieses 1978 preisgekrönte Meisterwerk einer galligen Romanze endlich
auch auf Deutsch. Wobei das Buch diese Bezeichnung genussvoll und mit manch schwarzem
Humor mit Füßen tritt. Zunächst lebt das Mädchen in wortkargem Frieden allein mit dem
Vater auf der Farm. Bis der Wanderarbeiter Jack kommt, sich eine Hütte gleich nebenan
baut und bleibt.
Als es zu Annäherungen mit Jill kommt, tun sich beide schwer mit Worten und Gefühlen.
Was zu Zerwürfnissen führt, als Jill zur höheren Schule will und dann sogar zur
Universität. Um so widersprüchlicher muss es da erscheinen, dass Jill einerseits
heimkehrt und eine erfolgreiche Kinderbuchautorin wird und andererseits trotz allem Jack
heiratet.
Diese Ehe aber wird zu einer Kette bitterer gegenseitiger Verletzungen. Wobei Jill es
sogar schätzt, dass Jack als Schwerstverwundeter ohne Beine aus dem Zweiten Weltkrieg
zurückkommt im Rollstuhl kann sie ihn um so besser herumkujonieren. Und ihre
anfängliche Forderung durchsetzen: keine Kinder!
Jill ist die Herrin und kann doch nicht von Jack lassen. Selbst dann nicht, als die
dümmliche Raelene, eine Bewunderin von Jill als Buchautorin, in den Haushalt kommt und
sich auf einschlägige Weise auch um Jack kümmert. Da passt es schließlich zu dieser
unmöglichen Manege à trois, dass die exzentrische Jill auf Raelenes Schwangerschaft Jack
gegenüber mit dem giftigen Satz reagiert: Wenn du sie auch nur mit einem Finger
anrührst, hacke ich ihn dir ab.
Was man unbedingt als ernst zu nehmende Drohung ansehen muss. Doch auch sonst bemühen
sich Jack und Jill redlich, immer wieder Öl in die düster lodernden Flammen zu gießen.
Da erscheint es geradezu als Wunder, wenn dieses bitterböse Buch sogar noch ein, wenn
auch ziemlich bizarres Happyend offeriert.
Fazit: mit grandios knappen und doch absolut zielführenden Sätzen wird hier eine
Liebesgeschichte der wahrlich besonderen Art erzählt nicht jedermanns Sache, aber
eine Klasse für sich.
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