WILL SELF: „LEBERKNÖDEL“


Wer es richtig schön britisch schwarzhumorig mag, ist bei Will Selfs Roman „Leberknödel“ richtig. Zwei Dinge aber vorweg: schon die Aufmachung als goldfarbenes Brevier zu diesem Titel ist ein schräger Witz, andererseits handelt es sich explizit um eine Novelle und diese gehörte im Original zu Selfs Band „Liver. A Fictional Organ with a Surface Anatomy of Four Lobes“.
Im Übrigen war die nicklige Geschichte auch in der englischen Fassung mit „Leberknödel“ überschrieben und die sollen später noch eine ominöse Rolle spielen. Der für seine skurrilen und provokanten Werke bekannte Brite stellt die 70-jährige Joyce Beddoe in den Mittelpunkt. Unheilbar an Leberkrebs erkrankt, hat sie sich entschlossen, eine Schweizer Sterbehilfepraxis aufzusuchen, um langjähriger Quälerei zuvorzukommen.
Mitgenommen nach Zürich hat sie nun ihre Tochter Isobel. Die Mittdreißigerin hat sich als lebensuntüchtige Alkoholikerin entwickelt und ihre Mutter mag sie schon deshalb nicht, weil sie trotz des Alters bereits unerfreulich ihrem verblichenen Vater ähnelt. Und dann sitzt die mit viel Sinn fürs Absurde und Makabre gesegnete Joyce in ihrem feinen Sterbezimmer, versorgt mit Schokolade, Anti-Brechmittel und dem Giftbecher.
Da wird ihr überraschend klar, wie sehr die nichtsnutzige Tochter nur auf ihr Erbe spekuliert, und schon vergeht ihr der Sinn nach dem Exitus. Prompt entsorgt sie die Sterbehilfe, schickt Isobel zum Teufel und will einfach nur ihre Ruhe haben. Genau dieser obskure Befreiungsschlag aber bewirkt Ungewöhnliches: von Tag zu Tag geht ihr besser und das tatsächlich auch physisch.
Der Genuss von Leberknödeln spielt dabei eine gewisse Rolle. Doch das bizarre Abenteuer der Joyce Beddoe geht weiter, denn nun gerät sie an sehr spezielle katholische Kreise. Die wollen die vermeintliche Wunderheilung für ihre Zwecke instrumentalisieren und auch den Kampf gegen die Sterbehilfe damit befeuern. Doch Joyce macht zwar allerhand mit, hat aber auch gerade bewiesen, in welchem Maße sie zur Verweigerungshaltung neigt, zumal sie mit dem heiligen Bimbam ohnehin nichts am Hut hat.
Das sorgt dann für weitere tragikomische Momente, die hier aber nicht verraten werden sollen. Fazit: wer es gern bitterböse mit trockenem Humor hat und von Frömmigkeit nicht angekränkelt ist, findet hier einen kleinen aber feinen literarischen Leckerbissen.

# Will Self: Leberknödel (aus dem Englischen von Gregor Hens); 207 Seiten; Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg; € 18

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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