ISABEL ALLENDE: DER
JAPANISCHE LIEBHABER
Die gebürtige Peruanerin Isabel Allende lebt seit langer Zeit in Kalifornien, wo einst
auch ihr Welterfolg Das Geisterhaus entstand. Nach einigen Versuchen der
letzten Jahren ist die Meisterin des magisch-realistischen Erzählens mit ihrem jüngsten
Roman Der japanische Liebhaber endgültig in der Moderne angekommen. Und es
sei vorweg gesagt: ohne auch nur einen Hauch ihrer fesselnden Erzählkunst zu verlieren.
So sehr sie auch hier mit der 23-jährigen Irina Bazili aus Moldawien und der 80-jährigen
Alma Belasco wieder zwei starke Frauenfiguren in den Mittelpunkt stellt, so gibt sie auch
einigen wichtigen männlichen Protagonisten viel Charakter, allen voran natürlich dem
titelgebenden Japaner. Eingangs erhält die berufslose und bisher sehr unstet lebende
Irina einen Job in der Seniorenresidenz Lark House in der San Francisco Bay,
wo sie sich bald großer Beliebtheit erfreut.
Richtig spannend wird es für die junge Frau, deren niederdrückende Vergangenheit lange
ein Geheimnis bleibt, jedoch, als die wohlhabende Alma sie quasi per unentrinnbarem Befehl
zu ihrer Sekretärin macht. Neben dem eigentlichen Job, versteht sich. Almas Enkel Seth
erscheint nun immer öfter, weil er sich in Irina verliebt hat. Die bleibt jedoch spröde,
weshalb Seth eine Idee entwickelt, sie trotzdem möglichst oft sehen zu können: gemeinsam
bewegen sie die störrische alte Dame dazu, ihre ausgesprochen bewegende Geschichte in
Memoiren zu fassen.
Ein lohnendes Unterfangen, denn Alma wurde einst von ihren jüdischen Eltern noch gerade
rechtzeitig ins Exil geschickt, um einem Schicksal wie dem ihren im KZ zu entgehen. Das
Glück wollte es, dass sie es beim Onkel in Kalifornien gut antraf. Zugleich begegnete sie
dort dem Sohn von dessen japanischen Gärtner Ichimei Fukuda. Und die Beiden verliebten
sich unsterblich ineinander.
Die ohnehin unmögliche Liebe zwischen der Jüdin aus wohlhabender Familie und dem
einzigen überlebenden Sohn einer traditionsbewussten japanischen Familie wird jedoch am
7. Dezember 1941 jäh unterbrochen, als das Kaiserreich Pearl Harbour überfällt und die
längst wogende Abneigung der Amerikaner gegen alles Japanische zur Internierung von
hunderttausenden führt, die einst hier eingewandert oder wie Ichimei sogar hier geboren
waren.
Während das Leiden der Internierten in schmählichen Camps bewegt, tut dies die
Geschichte Irinas jedoch ebenfalls. Ein ehemaliger FBI-Beamter taucht hier auf und man
erfährt von einer leider viel zu häufigen dunklen Vita unserer Zeit. Ihre Mutter wollte
nach dem Fall des Eisernen Vorhangs in den lockenden Westen, fiel dabei jedoch
Menschenhändlern und der Prostitution anheim. Als ihr schließlkich ein Entkommen in die
USA gelang, war es an der Seite eines üblen Begleiters, der die nachgeholte Tochter
derartig missbrauchte, dass das FBI sie mit einer neuen Identität ausstatten musste.
Während dieses Geheimnis nur langsam erhellt wird, bleibt die Frage nach den
allwöchentlichen Briefen, die Alma jedesmal für kurze Momente unendlich glücklich
machen wie auch das Geheimnis der Sendungen von Gardenien. Hier eröffnet sich eine
einzigartige heimliche Liebesgeschichte, in der gleich zwei Männer eine gewissermaßen
lebenslange prägende Rolle spielen. Entgegen allen Hemmnissen trafen sich Alma und
Ichimei immer wieder heimlich zu leidenschaftlichen Liebesstunden in Hotels. Bis sie eines
Tages schwanger wurde und dieser Unmöglichkeit durch eine Abtreibung entgehen wollte.
Mit Ichimei muss nun Schluss sein, ihr Cousin Nathaniel aber, mit dem sie immer ein Herz
und eine Seele war, wird nun endgültig zum großen Beschützer. Statt einer Abtreibung
gibt es so eine Hochzeit und auch das heikle Kind verliert Alma. Es wird eine liebevolle
aber leidenschaftslose Ehe, aus der dann trotz allem ein Kind hervorgeht. Die Briefe
jedoch kommen weiterhin, obwohl auch Ichimei der Familientradition gemäß eine Ehe
schließt.
Das Alles ist gleichwohl längst noch nicht das Ende der dramaturgisch kunstvoll und
überaus fesselnd erzählten Geschichte der beiden Frauen und ihrer männlichen
Gegenüber. Geheimnisse gibt es bis zuletzt und es spricht für die Meisterschaft Isabel
Allendes, dass dieses ebenso komplexe wie lebenspralle und dabei authentisch wirkende Werk
ganz große Gefühle darbringt, ohne je in Kitsch zu verfallen.
Fazit: hervorragende Figuren und eine packende moderne Geschichte sorgen für ein durchweg
spannendes Lesevergnügen auf ganz hohem Niveau.
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