WOLFGANG BEHRINGER: „TAMBORA UND DAS JAHR OHNE SOMMER“


Als der Vulkan Tambora auf der heute zu Indonesien gehörenden Insel Sumbawa am 5. April 1815 ausbricht, entsteht daraus zunächst eine regionale Katastrophe. Dass hieraus eine Klimakatastrophe globalen Ausmaßes werden sollte, ahnt man in der mangels moderner Kommunikationsströme wenig und verspätet unterrichteten Welt nicht mal im Ansatz.
Was dann in den folgenden Jahren auf sämtliche Kontinente hereinbrach, hatte unmittelbare Folgen wie Hungersnöte, Rebellionen und Massenauswanderungen. Doch auch andere, nicht nur negative Folgen veränderten die Welt nachhaltig. Die vielfältigen Zusammenhänge dieser größten Klimakatastrophe aller Zeiten wie auch ihre Querverbindungen und Langzeitfolgen hat nun erstmals Wolfgang Behringer untersucht.
„Tambora und das Jahr ohne Sommer“ hat der Professor für Geschichte der Frühen Neuzeit an der Universität des Saarlandes das daraus entstandene Sachbuch überschrieben. Und der Untertitel deutet bereits an, was dieser Ausbruch mit seinen zehn Tagen lang tobenden Explosionen und Auswürfen bewirken würde: „Wie ein Vulkan die Welt in die Krise stürzte“. Das Jahr 1815 selbst blieb zunächst scheinbar unberührt von dem abgelegenen Ereignis, vielmehr hoffte man insbesondere in Europa auf eine goldene Zukunft.
Viele Kriege waren zu einem Ende gekommen, der Unruhestifter Napoleon endgültig verbannt und die Staatenwelt hatte sich auf dem Wiener Kongress eine neue Ordnung gegeben. Um so überraschender trafen die plötzlich hereinbrechenden Klimaveränderungen die nichts ahnende – und nichts verstehende – Menschheit. Sintflutartige Regenfälle führten in Asien zu gewaltigen Überschwemmungen, in Westeuropa und in Nordamerika erlebte man 1816 als „das Jahr ohne Sommer“, das selbst im Juli und August vereinzelt sogar Schnee und Eis brachte.
Als zwingende Folge wurde 1817 dann zum „Jahr des Hungers“. Das führte unter anderem zu großen Auswanderungswellen nach Amerika aber auch nach Russland, das zu den wenigen Wetterprofiteuren gehörte. Die Nöte ließen gesellschaftliche Brüche aufkommen und in der Hungerkrise kam es auch zu Auswüchsen wie Pogromen gegen Juden, die man in Deutschland zu Schuldigen an der Misere erklärte.
Der verheerende Ausbruch des Tambora, eines Vulkans, der um ein Vielfaches größer als der Vesuv ist, nun aber die Hälfte seiner ursprünglichen Höhe von 4.200 Metern eingebüßt hatte, war einerseits der größte Vulkanausbruch in der Geschichte der Menschheit. Andererseits jedoch bewirkte die geradezu apokalyptische Katastrophe, die über eine völlig ahnungslose und unvorbereitete Welt hereinbrach, in der Folge auch positive Entwicklungen.
Was sich durch die Ereignisse und ihre Folgen alles mit weitreichenden Auswirkungen veränderte, hat Behringer als erster Wissenschaftler in dieser Gesamtsicht zusammengetragen. Das reicht von gesellschaftlichen und politischen Neuausrichtungen im gesamten Weltgefüge bis hin zu Neuerungen wie dem Entstehen einer regelrechten Meteorologie oder der wissenschaftlichen Befassung mit der Vulkanologie.
Der Autor legt das Alles gut verständlich dar und immer wieder regen seine Ausführungen die Überlegung an: was geschähe in der Gegenwart bei einem vergleichbaren Ereignis – schließlich schlummern oder rumoren weltweit etliche Vulkane, bei denen Ähnliches nie ausgeschlossen werden kann. Fazit: eine aufschlussreiche und unterhaltsame Katastrophengeschichte, die durchaus zu einem gewissen Unbehagen berechtigt.

# Wolfgang Behringer: Tambora und das Jahr ohne Sommer. Wie ein Vulkan die Welt in die Krise stürzte; 398 Seiten, div. Abb.; C. H. Beck Verlag, München; € 24,95

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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