CHRISTOPH PETERS: DER
ARM DES KRAKEN
Der renommierte Romancier Christoph Peters widmet sich erstmals einem Krimi, das
allerdings stilistisch in gewohnt brillanter Manier. Der Arm des Kraken lautet
der Titel und der ist offenbar abgeleitet von der kunstvollen Rückentätowierung eines
toten Japaners.
Eine kauzige Gruppe von Hunde-Spaziergängern hat die Leiche in einem Park im angesagten
Stadtteil Prenzlauer Berg entdeckt. Unübersehbar wurde der junge durchtrainierte Mann
gefoltert und dann exekutiert. Die Finder fürchten Übles, denn dieser Park ist auch das
illegale Handelsrevier der vielen Vietnamesen und schon in den 90er Jahren gab es hier im
Osten Berlins grausige Kriege zwischen deren Clans. Immerhin haben deren Nachfolger
längst die Schattenwirtschaft von der Gastronomie bis zum Gemüse- und Zigarettenhandel
und vielem mehr so fest im Griff, dass weder Russen, Serben, Türken oder andere
Mafia-Clans etwas zu bestellen haben.
Wie also passt ein Japaner ins Schema, zumal der offensichtlich ein Mitglied der Yakuza,
der dortigen Mafia war? Das fragt sich auch Annegret Bartsch vom Vietnam-Dezernat des LKA.
Fern liegen die letzten Erfolge gegen Drogenhändler und andere Straftäter, denn die
Vietnamesen sind extrem verschlossen. Und Konflikte werden untereinander oder durch
eingeflogene Killer erledigt. Der Polizeipräsident aber nervt Bartsch damit, dass er auch
noch auf der Ausrichtung auf mögliche fremdenfeindliche Hintergründe besteht.
Der Tote hieß Yuki Ozawa und gibt Rätsel auf. Er lebte nahe dem Fundort in einer teuren
Mietwohnung und ging außer dem Fitnesstraining anscheinend keiner Tätigkeit nach. Wollte
er womöglich aussteigen oder geriet er zwischen verfeindete Vietnamen-Clans? Doch
während die Beamten mühsam nach Spuren oder gar gesprächsbereite Zeugen suchen, nimmt
ein ganz anders gearteter Ermittler ebenfalls die Arbeit auf Fumio Onishi, der
fließend Deutsch spricht und einige zielführende Kontakte in arabischen Clans der
Metropole hat.
Von einem Marokkaner erhält er einen Überblick über Konflikte, bei denen die
Königin offenbar besondere Intrigen spinnt. Entgegen der Hilflosigkeit der Polizei
sind Onishis Methoden ungemein drastischer, denn seine Zeugenbesuche hinterlassen die Spur
eines ebenso erbarmungslosen wie präzisen Killers. Wobei er sich ganz in der Tradition
eines Samurai wähnt, der sein Handwerk kühl und diszipliniert abwickelt.
Wie moralisch unterlegt er den Weg von Aufklärung und Vergeltung verfolgt, belegen die
hinreißend ausgeformten Gedankengänge des Auftragsmörders. Und sie lassen zuweilen
schauern, wenn er mit Genuss sämtliche Vorzüge von Yukis attraktiver Freundin Nikola
nutzt und zugleich keine Skrupel dabei hätte, sie im Zweifelsfall sofort zu erledigen.
Dieser kalten Killermaschine stehen die inneren Monologe der deutschen Kriminalbeamtin
gegenüber, die ihre ganz eigene Sprache hat.
Ihre Überlegungen in Kapiteln aus seitenlangen Endlossätzen offenbaren ihre Normalität
im Polizeialltag, manchen Frust dort und noch mehr durch die privaten Untiefen mit dem
nörgeligen Ehemann und der von ihm gegen den Polizeidienst der Mutter aufgestachelten
achtjährigen Tochter. Was insgesamt in den krassen Unterschieden zwischen Killer und
Kommissarin einen glänzenden Gegensatz bietet, bremst allerdings mit manchem Übermaß
unnötig den Spannungsfluss.
Insgesamt aber entwickelt der in vielem erschreckend realistische Krimi eine hohe
Sogwirkung. Natürlich wird hier nicht verraten, ob Onishi das Rätsel von Yukis Tod löst
und ob es der erfahrenen Kriminalistin gelingt, dem nicht minder versierten stolzen
Samurai eine Falle zu stellen. Fazit: nicht ganz ohne Makel, dennoch ein auch stilistisch
hochkarätiges Lesevergnügen.
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