BERNHARD AICHNER:
TOTENHAUS
Gerade hat Bernhard Aichners grandioser KrimiTotenfrau völlig zu recht den
Crime Cologne Award 2015 gewonnen, da liegt mit Totenhaus der zweite Band der
Trilogie um die österreichische Bestattungsunternehmerin Blum vor, die aus
verständlichen Rachemotiven zur unheimlichen Mörderin wurde.
Zwei Jahre sind ins Land gegangen und sowohl Blum, die aus der widerlichen Kindheit und
Jugend als früh zur Mithilfe im elterlichen Unternehmen gezwungenes Adoptivkind ihren
Vornamen Brünhild grundsätzlich ablehnt, als auch Schwiegervater Karl und der treue
Mitarbeiter Reza sind zur Ruhe gekommen. Im wohligen Urlaub mit den beiden Töchtern in
Griechenland aber trifft sie mittendrin ein Schock durch ein Zeitungsbild.
Es gehört zu einem Bericht über Kuhns Körper-Kunst, einer
Sensationsausstellung mit Kunstwerken höchst bizarrer Machart: echte Leichen vermengt
dieser Leo Kuhn in makabrer Weise mit Teilen, Häuten oder Fellen von Tieren zu
monströsen Objekten. Das Bild, das Blum das Blut in den Andern gefrieren lässt, zeigt
eine mit einem Zebra gekreuzte Frau, deren offen sichtbares Herz pinkfarben bemalt wurde.
Das Gesicht jedoch ist scheinbar das Blums!
Ist es etwa das Antlitz einer Zwillingsschwester?! War Blum bis zu ihrer Adoption als kaum
Dreijährige gar nicht allein? Aufgewühlt bricht sie den Urlaub ab und rast heimlich zum
Institut von Leo Kuhn in Nürnberg. Der Künstler ist überraschend offen und sogar fast
sympathisch. Und die Tote hieß Björk und sie hatte selbst quasi testamentarisch die
Herrichtung für dieses Kuriositätenkabinett des Grauens nach ihrem Tod so
beschlossen.
Um aber mehr über Björk zu erfahren, bringt Kuhn Blum zu deren Familiensitz, dem
prunkvollen Riesenhotel Solveig im Schwarzwald. Dessen Patriarch Kaltschmidt
wie auch Björks Halbbruder Ingmar bereiten ihr durch strikte Ablehnung zunächst eine
schlimme Enttäuschung, bald schon wird jedoch außerdem offenbar, dass das große
Familienglück für Björk wie auch für den Rest der Familie durch düstere Tragödien
zerstört wurde.
Doch gerade als Blum überraschend das Vertrauen Ingmars und damit auch viele neue
Erkenntnisse über schlimme Ereignisse im Prunkhotel gewinnt, platzt die absolute
Katastrophe in ihr Leben. Wegen einer Erbschaftsangelegenheit kam es daheim in Innsbruck
zu einer Exhumierung und im Sarg liegen ein Kopf und zwei Beine zu viel! Teile
eines der elegant im Rahmen einer normalen Bestattung beseitigten Racheopfer.
Natürlich wird Blum damit sofort von der einstigen Jägerin der perversen Mörder auch
ihres Mannes nun zur gnadenlos Gejagten. Ungewollt wird Ingmar zum Mitwisser aber auch zum
Retter in der Not. Heimlich kommt Blum in einem der 600 Zimmer des seit dem Tod der
Prinzipalin stillgelegten Hotels unter und es gibt sogar nicht von ungefähr einen
direkten Verweis auf Stephen Kings Gruselthriller Shining.
Was nun in dieser ausweglosen und geradezu klaustrophobischen Situation an immer neuen
erschreckenden Überraschungen nicht nur über Blum hereinbricht, sei hier nicht verraten,
denn das ist atemberaubend spannend. Und es reißt den Leser mit unentrinnbarer Sogwirkung
mit, so dass es schwerfällt zu glauben, dass Blum diesem Inferno inmitten von
Psychopathen und Häschern entkommen kann.
Geschrieben ist auch dieser Thriller mit schnörkellos vorantreibender Prosa, manches hat
Aichner bewusst etwas anders gehalten als im Auftaktband - der in seiner Extraklasse wohl
von kaum einem Autor zu überbieten gewesen wäre aber auch hier ist ein
Meisterwerk der Spannungsliteratur gelungen. Da bleiben nur noch zwei Wünsche offen: dass
der Abschlussband nicht zu lange auf sich warten lässt und dass die angekündigte
Verfilmung tatsächlich bald erfolgt.
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