GABRIELE HOFFMANN:"OTTO von BISMARCK und JOHANNA von PUTTKAMER“


„Er war so hingerissen von schönen Frauen, aber Johanna galt nicht als schön. Er heiratete sie, weil er sich mit ihr nie gelangweilt hat, und weil sie ihn zum Lachen bringen könnte.“ So begründet Gabriele Hoffmann, warum Otto von Bismarck mit Anfang 30 ausgerechnet diese fromme pommersche Gutsherrentochter zur Frau nahm.
Die Historikerin widmet sich in dem Jahr, da der sogenannte Eiserne Kanzler seinen 200. Geburtstag gehabt hätte, der bisher wenig gewürdigten wirklichen Rolle dieser ersten deutschen Kanzlergattin. Keine der vielen Quellen ist wirklich neu, dennoch gelingt Hoffmann ein wertvolles neues Bild dieses Paares. Weshalb sie auch unter dem Titel „Otto von Bismarck und Johanna von Puttkamer. Die Geschichte einer großen Liebe“ eine Doppelbiographie gefertigt hat aus dieser Beziehung, in der allein schon die Ehezeit 47 Jahre währte.
Man weiß, dass der „wilde Junker“ von Bismarck ein stattlicher, gut aussehender Jurist, Gutsherr und Schlossherr war, der nach unsteten Jahren nun eine politische Karriere plante. Die jetzt zur Gattin auserwählte, neun Jahre jüngere Johanna galt als eher unscheinbar und sehr fromm. Entscheidende Quellen zur Klärung der tatsächlichen Rollenverteilung und vor allem der „echten“ Bismarck-Gattin entwickelt die erfahrene Historikerin auf der Grundlage der ungeheuren Fülle von Briefen zwischen den Beiden – schon bedingt durch die häufigen berufsbedingten Trennungen – die zumindest für den Jahrhundert-Politiker ohnehin den Ruf auch literarischer Qualität genießen.
Untermauert mit Tagebüchern, Memoiren und Briefen anderer Zeitgenossen formt sich alsbald ein deutlich anderes Bild Johannas, die in den bisherigen Veröffentlichungen zumeist als schlichte und langweilige Randfigur ohne nennenswerte Bedeutung beschrieben wurde. Hier zeigt sich nun ein durchaus starker, eigenwilliger Charakter mit manch unterdrückten Aggressionen, die sich selten, dann aber heftig entluden – nicht unähnlich einiger bekannter Ausrastern des Reichskanzlers.
Gerade durch die politische Arbeit des vielfach verehrten und noch öfter angefeindeten Otto von Bismarcks gab es auch Spannungen zwischen den Eheleuten und Gabriele Hoffmann lässt auch die seltsame Affäre von 1862 nicht unerwähnt, als der Gatte wochenlang mit dem russischen Grafen-Ehepaar Orloff durchs sonnige Frankreich reist und der 25 Jahre jüngeren „Catty“ offenbar zumindest heftig den Hof macht. Johanna verschweigt ihre Kränkung durchaus nicht als duldende ferne Ehefrau.
Ansonsten jedoch harmonieren die Eheleute privat wie beruflich mit Johanna als begabter Gastgeberin – wenn sie nicht gerade die verabscheuten Pflichten als Salondame erfüllen muss, zumal sie Berlin und den Hof ohnehin nicht mag. Um so mehr liebten beide Eheleute das Landleben auf den Gütern in Pommern oder im Sachsenwald, wohin sich der so umtriebige Machtpolitiker wegen immer neuer Krankheiten häufig zurückziehen musste.
Wie innig und ungezwungen es dort zugeht, hat etwas beinahe Idyllisches, wobei Johanna zuweilen ähnlich emotional überreagiert und dann unter ernsten psychosomatischen Krankheiten leidet wie er. Geradezu fatal wurde die Neigung der liebevollen Gattin, ihren Mann, der für seine unmäßigen Ess- und Trinkgewohnheiten sowieso bekannt war, in Krisenzeiten besonders auf diese ungesunde Weise zu verwöhnen. Die hierzu geschilderten Gewohnheiten, Leidenszeiten und Heilversuche gehören zu den interessantesten und auch intimsten Einblicken in das ohnehin romanhaft bewegte Leben dieses Paares.
Fazit: Gabriele Hoffmann zeichnet ein erstaunlich frisches neues Bild der Beiden und unterlegt deutlich, welche bedeutende Rolle Johanna von Puttkamer im Leben Otto von Bismarcks spielte und hier in erheblichem Maße eben auch für sein wegweisendes Wirken als einer der wichtigsten und größten Politiker seiner Zeit.

# Gabriele Hoffmann: Otto von Bismarck und Johanna von Puttkamer; 399 Seiten; Insel Verlag, Berlin; € 24,95


WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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