HEIKE SPECHT: „LILLI PALMER. DIE PREUßISCHE DIVA“


Lilli Maria Peiser (1914-1986), später unter ihrem Künstlernamen Lilli Palmer zeitweise weltberühmt, bestand parallel zum Abitur auch die Prüfung der Schauspielschule, um wie ihre Mutter Schauspielerin zu werden. Trotz internationaler Film- und Bühnenerfolgen – sie ist nur eine von drei Deutschen, die einen Stern auf Hollywoods Walk of Fame haben – sagt ihr einziger Sohn Carey Harrison, dass ihr die Malerei und das Schreiben wichtiger waren.
In diesem Jahr wäre der einstige Weltstar 100 Jahre geworden und es verwundert ein wenig, wie sehr die einst gerade auch in Deutschland beliebte Grande Dame in Vergessenheit geraten ist. Um so verdienstvoller ist die erste Biographie zu ihrem bewegten Leben, die Heike Specht unter dem Titel „Lilli Palmer. Die preußische Diva“ verfasst hat. Immer in Bewegung war sie von klein an, denn im Ersten Weltkrieg zog die bildungsbürgerliche Familie aus Posen nach Berlin, wo der jüdische Vater als Arzt praktizierte. Als der ehrgeizigen Lilli nach Abitur und Schauspielprüfung bereits mit 18 der Schritt auf eine namhafte Bühne gelang, übernahmen kurz darauf die Nazis die Macht.
Mit ihrer Schwester floh sie nach Paris und tingelte erst dort und bald in London als Tänzerin. Mit der auch später so wichtigen Zähigkeit, Disziplin und Anpassungsfähigkeit – sie selbst nannte sich eine „preußische Ameise“ - schaffte sie es, im Exil als Schauspielerin Fuß zu fassen. Mit viel Erfolg bis hin zu ersten großen Film- und Theaterrollen. 1943 heiratete sie den Kollegen Rex Harrison, mit dem sie 1946 nach Hollywood ging. Dort und am Broadway wurde sie zum Star, spielte unter anderem unter Alfred Hitchcocks Regie und mit Größen wie Gary Cooper und Gregory Peck.
Privat jedoch setzte eine Leidenszeit an der Seite des Schürzenjägers Harrison ein, die sie professionell allerdings mit eisernem Durchhaltewillen selbst noch als seine Bühnenpartnerin fortführte. 1954 kehrte sie schließlich nach Deutschland zurück und wurde mit offenen Armen empfangen. In ihrer gewissermaßen dritten Filmkarriere war sie sofort der Star des Nachkriegskinos mit Erfolgen wie dem Skandalstreifen „Mädchen in Uniform“ mit Romy Schneider oder zusammen mit Curd Jürgens in „Teufel in Seide“, für den sie als beste Hauptdarstellerin den Bundesfilmpreis erhielt.
Immer wieder waren es vor allem Rollen als feine aber abgründige Dame, für die sie bewundert wurde. Um so überraschender kam 1974 ihre Autobiographie „Dicke Lilli – gutes Kind“, die ein Bestseller und der Auftakt für eine Reihe weiterer Bucherfolge wurde. Doch auch ihre kubistischen Gemälde fanden internationale Beachtung. Die Biografin beschreibt all das detailgenau und lebendig, wobei sie sich teils auf bisher unbekanntes Archivmaterial stützen konnte.
Rätseln darf man jedoch weiterhin über Lilli Palmers Privatleben, denn da erstaunt die Duldsamkeit dieser intelligenten, attraktiven und überaus erfolgreichen Frau mit dem unglaublich selbstgefälligen Rex Harrison wie auch später mit dem psychisch labilen zweiten Ehemann Carlos Thompson. Offenbar hat sich Heike Specht hier erheblich auf die eher preußisch diskrete Autobiographie Palmers als Hauptquelle beschränken müssen. Fazit: eine erfreuliche und längst überfällige Würdigung eines deutschen Weltstars mit einem wahrhaft romanhaft bewegten Leben.

# Heike Specht: Lilli Palmer. Die preußische Diva; 423 Seiten, div. Abb.; Aufbau Verlag, Berlin; € 22,99


WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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