FRANK GERBERT: „ENDSTATION SARAJEWO“


Als der Thronfolger der Habsburger k & k-Monarchie von Österreich-Ungarn am 28. Juni 1914 in Sarajewo einem Attentat zum Opfer fiel, war dies der Auslöser des Ersten Weltkriegs. Wer aber waren dieser Erzherzog Franz Ferdinand von Österreich-Este und seine ebenfalls erschossene Ehefrau Sophie Herzogin von Hohenburg?
Dieser Frage geht Frank Gerbert in seinem Buch „Endstation Sarajewo“ nach. Der Untertitel „Die letzten sieben Tage des Thronfolgers Franz Ferdinand“ ist hier von besonderer Bedeutung, denn der deutsche Journalist und Autor folgt der Reiseroute des Generalinspekteurs vom heimischen Schloss Chlumetz bis in die Hauptstadt des annektierten Bosnien-Herzegowina und beschreibt die einzelnen Stationen dieser so fatal endenden Inspektionsreise ebenso detailliert wie spannend.
Eingangs macht Gerbert deutlich, dass der 1863 geborene Neffe des greisen, kränklichen Kaisers Franz-Josef alles andere als ein Sympathieträger war. In Armeekreisen wurde der allgemein als FF Bezeichnete als „Wüterich“ gefürchtet, politisch war er trotz einiger Reformideen ausgesprochen reaktionär und privat frönte er einer geradezu pathologischen Schießwut als Jäger, der unglaubliche 275.000 Abschüsse aufwies, als er mit 50 Jahren in die ewigen Jagdgründe geschickt wurde.
Als strenggläubiger Katholik hasste er Protestanten und Juden, war aber auch ansonsten bigott. Der Autor charakterisiert den herrischen Thronanwärter als „den Kinski der Habsburger“. Seine große Liebe galt Ehefrau Sophie, die als beschränkt-bigott, intolerant und hochmütig und damit offensichtlich bestens zu ihm passend beschrieben wird. Immerhin ließ sich der heftig Verliebte dafür sogar auf die Forderung des Kaisers zum Verzicht auf jegliche Erbansprüche als Habsburger Nachkommen für seine Kinder ein.
Mit großer Exaktheit und hervorragend recherchiert folgt Gerbert der Reiseroute, erläutert die Orte und Einzelereignisse und gibt genaueste Einblicke in die Abläufe der letzten Tage, Stunden und Minuten. Viel historisches Hintergrundwissen fließt in die Wegbeschreibungen wie auch die hochbrisante politische Situation ein. Es brodelt und FF kommt quasi in Vorbereitung seiner baldigen Thronübernahme, was die Einheimischen ergrimmt, während die proserbische Geheimorganisation „Mlada Bosna“ auf Beseitigung der verhassten Habsburger sinnt.
Wenn der Autor dann etlichen Verschwörungstheorien nachgeht, hat er angesichts teils unfassbarer Ungereimtheiten allen Grund dazu. Die Sicherheitsvorkehrungen waren sträflich oberflächlich, obwohl das Treiben proserbischer Aktivisten kein Geheimnis war. Im offenen Wagen ging es durch die von Menschenmengen gesäumten Straßen, so dass es selbst einem so ungeübten Attentäter, wie dem ängstlichem 19-jährigen Gavrilo Princip gelingen konnte, mit zwei Schüssen den Thronfolger und seine neben ihm sitzende Gattin unrettbar tödlich zu treffen.
Als ähnlich seltsam erscheint, dass der Kaiser alles andere als traurig über die Ermordung seines Neffen war. FF war bei allem reaktionären Militarismus einflussreichen Kreisen als „Friedenstäuberich“ ein Dorn im Auge, weil er in weiser Voraussicht gegen einen Krieg mit dem aufsässigen Serbien plädierte, der unweigerlich in das münden musste, was nun durch seine Ermordung tatsächlich ausgelöst wurde. Selbst wenn es keine gezielte Intrige gegen FF war, muss man die Nachlässigkeit wie auch das Verschweigen der wahren Bedrohungslage mindestens als grobe Fahrlässigkeit werten.
Frank Gerbert fesselt bei seinem atmosphärisch dichten Schilderungen vor allem auch, weil er als Ich-Erzähler munter unterhaltsam und mit ironischem bis satirischem Unterton schreibt. Die hohe Qualität dieses Buches líegt darin, dass es zugleich mit seiner historischen Faktengenauigkeit wie auch den theoretischen Überlegungen zu überzeugen weiß.

# Frank Gerbert: Endstation Sarajewo. Die letzten sieben Tage des Thronfolgers Franz Ferdinand. Eine Spurensuche von Böhmen bis Bosnien; 205 Seiten, div. Abb.; Verlag Kremayr & Scheriau, Wien; € 22

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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