LOTHAR MACHTAN: PRINZ MAX VON
BADEN
Als Max von Baden (1867-1929) am 3. Oktober 1918 deutscher Reichskanzler wurde, scheiterte
er mangels Kompetenz in den letzten fünf Wochen des Deutschen Kaiserreichs und ging als
derjenige in die Geschichte ein, der die Abdankung Kaiser Wilhelms II. verkündete und
damit auch das Ende der Monarchie besiegelte.
Wenig Literatur gab es bisher über diese ausgesprochen schillernde Figur, um so
verdienstvoller ist die große Biographie Prinz Max von Baden. Der letzte Kanzler
des Kaisers von Lothar Machtan. Der Professor für Neuere Geschichte an der
Universität Bremen konnte sich auf umfangreiches, teils erstmals erschlossenes
Quellenmaterial stützen, bedauert aber sehr, dass ihm das Adelshaus den Zugang zum
schriftlichen Nachlass des Fürsten verweigerte.
Dies liegt ganz offenbar in den speziellen Persönlichkeitsaspekten des damaligen
Thronanwärters des Großherzogtums Baden begründet, zu dessen lebenslangen Seelenqualen
hauptsächlich seine Homosexualität beitrug. Historiker Machtan hat hier etwas getan, das
ursprünglich wissenschaftlich eher verpönt war, denn er durchforschte ausführlich die
privatesten Details dieses ungewöhnlichen Fürstenlebens. Dies jedoch zu Recht, weil
vieles erst hierdurch erklärlich wird. Wurde das Ausleben homosexueller Neigungen vor der
Jahrhundertwende in Adelskreises noch in diskreter Weise intern toleriert, sorgten der
Prozess Oscar Wildes und der Eulenburg-Fall für eine deutlich repressivere offizielle
Haltung.
Der Prinz, der als schöngeistiger Aristokrat in prächtiger Uniform galt und
wegen seiner Vorliebe für Kuren den despektierlichen Spitznamen Bademax trug,
hatte schon als junger Mann seine Probleme mit dem standesgemäßen Soldatentum. Seine
Offizierskarriere beendete er schon bald wieder und auch im Ersten Weltkrieg hielt er es
nur wenige Wochen im aktiven Dienst aus. Viel bedrückender aber lasteten die natürlichen
Anforderungen an einen Thronfolger auf ihm und da kollidierte sein Wunsch nach einem
selbstbestimmten Leben unter anderem mit Kunst und Philosophie um so mehr mit denen der
Welt des Hochadels.
Allen voran aber war es die Forderung nach einem Thronerben. 1900 heiratete er
schließlich Marie Louise von Cumberland, doch genügte die sporadische
Freundschaftsbeziehung nicht und es folgten aberwitzige Bemühungen. Der Wissenschaftler
beschreibt die Unterstützung des berühmten schwedischen Arztes Axel Munthe (Das
Buch von San Michele) und wagt die Behauptung, dieser habe vermutlich nicht nur
geholfen sondern aktiv mitgewirkt bei der Zeugung des ersten Kindes. Konnten Homosexuelle
des Hochadels im damaligen Berlin trotz der Kenntnis der Polizei über diese
Urninge ihre Lüste ausleben, musste Max jedoch als Politiker fürchten, vom
Kaiser deswegen unter Druck gesetzt zu werden.
Dass der Prinz sich trotz seiner vielen anderen Interessen und entgegen seiner politischen
Inkompetenz im Krieg in die Politik drängte, hatte einerseits mit seinem althergebrachten
Adelsverständnis verbunden mit dem allergrößten Widerwillen gegen
den Parlamentarismus und einer heftigen Abneigung gegen die Freiheiten der
Presse - zu tun und andererseits mit einem Sendungsbewusstsein als Retter.
Allerdings kam er erst im zweiten Anlauf zum Zuge, als längst alles verloren war.
Reichskanzler Max von Baden wurde vom Kaiser am 3. Oktober 1918 ernannt und erließ noch
am selben Tag ein Waffenstillstandsgesuch.
Der sensible Konservative dünkte sich als richtige Mann zur richtigen Stunde, musste
jedoch erkennen: Ich glaubte, fünf Minuten vor zwölf zu kommen, und bin fünf
Minuten nach zwölf gerufen worden. Zudem brachte er keinerlei Fähigkeiten dafür
mit, stattdessen kam seine größte persönliche Krise, als ihm Kaiserin Auguste Viktoria
in der Befürchtung, der Kanzler werde den Kaiser zur Abdankung zwingen, hasserfüllt mit
Drohungen bezüglich seines Doppellebens zusetzte. Der Prinz erlitt einen mysteriösen
Nervenzusammenbruch, der ihn und damit auch seine Regierung für Tage total lahmlegte,
während auf den Straßen bereits die Revolte um sich griff. Mögliche Pläne zum Erhalt
der Monarchie unter anderen Vorzeichen scheiterten an seinem Versagen und so wurde er zum
Totengräber des alten Systems, als er die Abdankung Wilhelms verkündete.
Prinz Max von Baden, eine historische Persönlichkeit mitten in der größten Krise des
Kaiserreichs: schillernd, politisch unfähig und nur vermeintlich ein Liberaler, gefangen
in unendlichen Lebenslügen und Widersprüchen. Lothar Machtan beschreibt dieses komplexe
Leben detailliert und mit Mut zu wohlbegründeten Bewertungen. Fazit: eine Biographie, die
nicht nur manch Unbekanntes beleuchtet sondern sich dabei auch noch auf hohem Niveau
spannend liest.
|