THOMAS KOEBNER: "ROMAN POLANSKI"

Mag er auch nur 1,65 Meter groß sein, als Filmemacher zählt Roman Polanski zu den Größten überhaupt. Gerade hat der immer noch jungenhaft wirkende und seit jeher sportbesessene Meister seinen 80. Geburtstag gefeiert und die riesige Fan-Gemeinde darf sich mit "Venus im Pelz" auf seinen mittlerweile 20. Film freuen.

Der Filmwissenschaftler Thomas Koebner nahm das zum Anlass für eine Biographie unter dem Titel "Roman Polanski. Der Blick der Verfolger". Damit weist er auf den wohl entscheidenden Aspekt in Leben und Werk des auch als Schauspieler erfolgreichen Künstlers: seine Kindheit und Jugend. 1933 in Paris als Kind polnisch-jüdischer Staatenloser geboren, die 1937 mit ihm nach Polen zogen, verlor er seine Mutter im KZ und er selbst überlebte das Nazi-Regime nur dank seiner Flucht.

Die Angst, die Einsamkeit, das teils unter klaustrophobischen Verhältnissen erlebte Verstecken, diese prägenden ganz frühen Jahre scheinen in seinen Filmen immer wieder durch imd finden ihren Höhepunkt im Oscar-preisgekrönten Holocaust-Film "Der Pianist". Koebner steigt tief ein in die Interpretationen der wichtigsten Filme und weist die Querverbindungen zwischen all den abgründigen Bildern und Szenen des Diabolischen, von Gefahren und seelischen Verletzungen. Als Agnostiker versagt Polanski seinen Protagonisten durchweg eine wie auch immer geartete Erlösung.

Das ist dann auch das Europäische an dem weltläufigen Polanski, denn die allfälligen Happy Ends à la Hollywood finden bei diesem Regisseur nicht statt und selbst eine längst zum Kult gewordene Filmkomödie wie "Tanz der Vampire" hat schließlich keines. Um so intensiver fließen die weiteren Tragödien seines bewegten Lebens in das Filmschaffen ein. So verlor er 1969 seine hochschwangere zweite Ehefrau Sharon Tate durch das brutale Gemetzel der Manson-Bande.

1977 begeht er dann eine folgenreiche Dummheit, als er Sex mit einer knapp 14-Jährigen hat. Ein von Beginn an nicht faires Verfahren lässt ihn vor dem Abschluss des Prozesses fliehen, denn der kalifornische Richter schreckt erwiesenermaßen vor rechtswidrigem Handeln nicht zurück. Nie wieder konnte Polanski amerikanischen Boden betreten - was er sehr gut verschmerzen konnte. Um so fataler erwischte ihn dann 2009 seine Verhaftung in der Schweiz auf Grund eines Auslieferungsbegehrens der USA wegen dieser alten Geschichte. Statt der vorgesehenen Ehrung für sein Lebenswerk saß er 296 Tage im Schweizer Hausarrest.

Ein wahrlich extremes Leben mit ebensolchen Erfahrungen. Allerdings sollte man keine Biographie im klassischen Sinne erwarten, denn Koebner beschreibt die Vita des Filmemachers als eine Art Filmographie, das jedoch mit tiefgründigen Untersuchungen und Interpretationen. Sie zeigen einen grandiosen Regisseur und wie sein Leben immer wieder in seinen Werken durchscheint. Und selbstverständlich machen sie sogleich Appetit auf ein erneutes Betrachten der vielen Meisterwerke.

 

# Thomas Koebner: Roman Polanski. Der Blick der Verfolgten. Eine Biographie; 255 Seiten, div. Abb.; Reclam Verlag, Stuttgart; € 24,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

Dieses Buch bei Amazon.de bestellen. 


Kennziffer: Bio 318 - © Wolfgang A. Niemann - www.Buchrezensionen-Online.de