RACHEL COHN: "BETA"

Geschichten um geklonte Menschen sind nichts Neues, doch der US-Autorin Rachel Cohn ist es gelungen, eine neue, fesselnde Variante in ihrem Jugendroman "Beta" aufzulegen. Nach einem nicht näher erläuterten großen Krieg spielt die Geschichte in einer nicht allzu fernen Zukunft und auch die fortschrittlichen technischen Segnungen des Schauplatzes klingen vorstellbar.

Im Mittelpunkt steht Elysia, besonders gut gelungener Teenager-Klon, 16 Jahre, bildschön und erst vor ein paar Wochen nach ihrer soeben verstorbenen First geschaffen. Die Ich-Erzählerin ist allerdings ein Modell der Beta-Phase, von der ihre Schöpferin Dr. Lusardi noch nicht gänzlich sicher ist, ob sie trotz entsprechendem eingepflanztem Chip rundum funktioniert. Was jedoch kein wirkliches Problem wäre, denn sollte sie sich als defekt erweisen, würde sie eben "abgeschaltet".

Einziger Zweck der Klone ist, den Menschen zu dienen. Insbesondere auf dem Insel-Archipel Demesne hier in den künstlich perfektionierten Südseegestaden braucht man derlei dienstbare Geister ohne Gefühle, Seele und sonstige individuelle Eigenschaften, denn hier lebt man im absoluten Luxus einschließlich eines optimierten Umweltambientes. Kein normaler Mensch würde in diesem Paradies die Zeit mit Arbeiten vertun wollen, aber Klone sind ja keine Menschen im eigentlichen Sinne.

Eingangs schildert Elysia, wie sie von ihrer Eigentümerin gekauft wird. Gänzlich emotionslos und naiv und auch ohne jedes Verstehen von Humor oder dergleichen wirkt sie steril. Um so interessanter erweist sich dann die allmähliche Entwicklung und die Lernfähigkeit. Perfekt folgt sie ihrem Auftrag, ihre Besitzer glücklich zu machen, wobei sie das Leben voller Müßiggang schildert, in dem vor allem die "echten" Teenager das ausschweifende Wohlleben durch den ungehemmten Genuss der Raxia-Droge noch steigern.

Doch Elysia lernt nicht nur immer mehr, bei ihr tauchen Erinnerungen aus dem Leben ihrer First auf. Ist schon das untypisch für einen Klon, verstören sie zunehmend Gefühlsregungen und sie verliebt sich sogar. Und sie muss über all das schweigen, denn diese Abweichung vom Muster bedeutet, dass sie nicht einwandfrei funktioniert, was ihr sicheres Ende zur Folge hätte. Zugleich entdeckt sie mehr und mehr, dass das Leben in diesem Paradies der reichsten Menschen der Welt alles andere als perfekt ist, ja, dass es sogar Anzeichen einer Revolte der Klone gibt, die ein selbstbestimmtes Leben für sich fordern.

Erst ein intensives Verlieben, verwirrende Emotionen durch Hormonumstellungen zum Erwachsenwerden, die es bei Klonen nicht geben darf, und dann noch das Aufbegehren - zum Finale wird diese Geschichte nach eher ruhigem Beginn immer spannender voller überraschender Wendungen. Das Ende lässt den Leser atemlos zurück und es bleibt offen. Fortsetzungen sind jedoch bereits in Vorbereitung. Da lohnt das Warten, denn eine solch eindringliche und packende Dystopie braucht noch viel Raum, um all die hervorragenden Ansätze dieser schimmernd schönen neuen Sklavenwelt auszukosten.

Das ist bei allen aufkommenden Gefühlen recht sachlich geschrieben und die Hauptfigur mit ihren fuchsienroten Augen und dem Schwertlilien-Tattoo an der Schläfe ist ein Charakter, der eine hinreißende Entwicklung durchmacht. Wegen einiger harten Szenen und der anspruchsvollen Materie empfiehlt sich dieser Roman jedoch erst für Leser ab etwa 15 Jahren, aber auch erwachsene Freunde von Dystopien werden ihr helles Vergnügen an dieser intelligenten Geschichte haben.

 

# Rachel Cohn: Beta (aus dem Amerikanischen von Bernadette Ott); 413 Seiten; cbj Verlag, München; € 17,99

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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