NILS HAVEMANN: "SAMSTAGS UM HALB VIER"

Die wichtigste Nebensache der Deutschen feiert einen großen Geburtstag: am 24. August 1963 erfolgte der Anstoß zur ersten Saison der Fußballbundesliga. Wie es dazu kam und wie es sich bis heute entwickelte, hat der Wirtschaftshistoriker Nils Havemann im Rahmen eines dreijährigen Forschungsprojekts der Fritz-Thyssen-Stiftung untersucht.

"Samstags um halb vier. Die Geschichte der Fußballbundesliga" lautet der Titel und Havemann konnte dazu auf eine Fülle von bisher nicht zugänglichen Dokumenten zurückgreifen. Zunächst legt er dar, dass 1962, als der Bundestag des Deutschen Fußballbundes (DFB) die Einführung der Bundesliga beschloss, der Fußball längst den Gesetzen der so erfolgreichen freien Marktwirtschaft in der Bundesrepublik folgte.

Auch in den fünf Oberligen wurden bereits Spitzengehälter gezahlt, allerdings weitgehend aus Quellen wie Schein-Jobs und aus schwarzen Kassen - was nicht nur vor der Öffentlichkeit geheimgehalten werden musste. Der Autor führt immerhin keinen Geringeren als das Idol Uwe Seeler an, der auf ziemlich legalen Weg so gut honoriert wurde, dass er bei seinem umjubelten Verzicht auf eine Italien-Karriere im kleinen Kreis andeutete, sich einkommensmäßig dennoch kaum schlechter zu stehen als zum Beispiel Bologna-Legionär Helmut Haller.

Es ist bezeichnend, dass der DFB die Einführung der Profiliga erst umsetzte, nachdem man den Finanzbehörden in zähen Verhandlungen den Erhalt der Gemeinnützigkeit trotz gut bezahlter Profispieler abgerungen hatte. Dass der FC Bayern München trotz des dritten aufeinander folgenden Gewinns des Pokals der Landesmeister mit seiner Auflösung drohte, falls man ihm finanzamtlich nicht entgegenkomme, entbehrt nicht einer gewissen Ironie, hatte seinerzeit aber konkrete Gründe. Ohnehin ziehen sich - meist erfolgreiche - Betteleien insbesondere gegenüber den Städten durch die bewegte Bundesliga-Geschichte, wobei die Kommunen sich durchaus einträglich im Lichte eines Bundesligastandorts sonnten.

Natürlich spielt auch der Skandal eine wichtige Rolle, der der Bundesliga beinahe bereits nach acht Jahren durch die Schiebungen im Abstiegskampf ein schmähliches Ende bereitet hätte. Andererseits zeigt der Autor auch auf, wie sich der Profifußball im Rahmen der großen gesellschaftlichen Veränderungen der Bundesrepublik nicht nur in den 70er Jahren entwickelte und immer mehr auch zu einem gewichtigen Phänomen als Kultur- und Wirtschaftsfaktor wurde.

Politiker suchten die Nähe des populären Sports und seiner Stars, während deren Gehaltsniveau sich über die Jahrzehnte um Lichtjahre von den Durchschnittseinkommen der Bundesbürger entfernte. Nach Krisenjahren - 1985 waren die durchschnittlichen Zuschauerzahlen pro Spiel auf 18000 abgesackt - folgten wegweisende Veränderungen, die aus Traditionsvereinen wie dem HSV, Werder Bremen und Bayern München erwuchsen und es liest sich ebenso nüchtern wie spannend, wie die Bundesliga mit Globalisierung und Kommerzialisierung zu dem wurde, was sie heute nicht nur sportlich darstellt.

Man erwarte hier kein direktes Sportbuch mit Mannschaftsaufstellungen oder Spielergebnissen, denn in diesem Buch geht es um Fakten und Entwicklungen der wirtschaftlich wie gesellschaftlich absolut ernstzunehmenden und bedeutsamen "schönsten Nebensache der Welt". Dennoch ist dieses erhellende Standardwerk zum Thema auch für reine Fußballbegeisterte eine sehr interessante Lektüre, die keinen wichtigen Aspekt in und um Deutschlands oberste Fußballliga auslässt.

 

# Nils Havemann: Samstags um halb vier. Die Geschichte der Fußballbundesliga; 672 Seiten, div. Abb.; Siedler Verlag, München; € 26,99

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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