OCTAVIO OCAMPO: "ARTE METAMORFICO"

Einen wahrhaft faszinierenden Maler gilt es hier noch zu entdecken: Octavio Ocampo, einen der profiliertesten Künstler Mexikos. Er ist der große Meister einer Kunst, die er selbst Arte Metamorfico nennt.

Und "Arte Metamorfico" heißt auch der hinreißende Bildband in Englisch-Deutsch-Französisch-Spanischer Originalausgabe, der das Schaffen des inzwischen 70-Jährigen mit 140 der über 500 von ihm geschaffenen Bilder vorstellt. Ocampo zu seinem Werk: "Ich male nicht nur figürlich, sondern multifigürlich, polymorph. Ich mag es, den Betrachter zum Spielen einzuladen. Ich fessele seine Aufmerksamkeit, vermittele ihm in der ersten Bildebene ein Gefühl von Schönheit oder von etwas Schrecklichem, und in einer zweiten oder sogar dritten Ebene verspürt er dann etwas ganz Anderes."

Genau das ist die Magie seiner Arbeiten, die Reales und Surreales zu einer Metamorphose vermengen. Meist sind es viele Details, Gesichter und Figuren, die so miteinander verflochten werden, dass sie ein neues, größeres Bild ergeben. Doch es gibt nicht nur eine Erscheinungsebene, denn immer wieder erblickt man eine bestimmte Gestalt oder ein vermeintlich exaktes Gesicht, um dann in den Einzelheiten etwas mal dazu Passendes, zuweilen aber auch etwas gänzlich Wesensfremdes zu entdecken.

Bei etlichen Werken passiert es dem Betrachter, dass der Sprung zurück zur "vorherigen" Sichtebene erst im zweiten Anlauf gelingt. Doch das gehört ja zum Spiel dieses Künstlers, der schon als Grundschüler die erste akademische Ausbildung seiner ungeheuer surrealen Fantasie erhielt: der Betrachter soll das Verborgene in den Bildern quasi befreien und den Impulsen, der Mystik und der Macht der Verwandlung trauen.

Manche Werke laden zu regelrechten Entdeckungsreisen in die schier unerschöpfliche Vielfalt der Details ein, wenn da die "Madonna del Mar" gleich zehn Figuren in ihrer Metamorphose verbirgt oder aus zwei anmutigen Gestalten das pralle Bildnis eines alten Generals wird. Die Fülle der Faszination ist einzig und reicht vom doppelt erscheinenden Jesus am Kreuz über eine skurrile Abwandlung der "Mona Lisa" bis zu einer farbenprächtigen Erscheinung der indischen Gottheit Krischna.

Doch Ocampo mit seinem Hyperrealismus und dem spielerischen Hang zu optischen Experimenten zeigt nicht nur Einstein und Verdi, wie man sie noch nie gesehen hat. Dieser Augenverführer vermag auch mit verblüffend kargen Mitteln ganz und gar zu verzaubern, wenn ihm eine Blüte und ein Schmetterling oder ganze drei kleine Vögel genügen, um ein anmutiges Frauengesicht entstehen zu lassen.

Fazit: hinreißend Schönes, Mystik und Magie, das Verwirrspiel von Bildern im Bild und das Alles mit grenzenloser Fantasie und virtuoser handwerklicher Meisterschaft - dieses wunderbare Kunstbuch bietet es zuhauf.

 

# Octavio Ocampo: Arte Metamorfico; 159 Seiten, 140 Abb., Großformat; Edition Olms, Zürich; € 29,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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