JESSICA KHOURY: "DIE EINZIGE"

"Sie sagen, dass ich die einzige meiner Art sei, zumindest noch. Dass ich die Krone der Schöpfung sei, eine Göttin aus Fleisch und Blut." Das erklärt die 16-jährige Pia, die mit einer Gruppe von Wissenschaftlern in dem geheimen Forschungslabor Little Cambridge im Regenwald am Amazonas lebt.

Sie steht im Mittelpunkt des atemberaubenden Wissenschafts- und Abenteuerromans "Die Einzige. In deinen Augen die Unendlichkeit". Fast gemächlich entwickelt Jessica Khoury ihr Debüt zunächst, indem sie das zwar interessante aber auch in seiner Vielfalt arg eingegrenzte Leben Pias beschreibt. Von Geburt an nur von den hochkarätigen, überaus sachlich nüchternen Wissenschaftlern umgeben, sind die Tiere im Camp ihre einzigen Freunde, vor allem Jaguar Alai als ihr Kuscheltier.

Pia ist makellos, schön, hat blitzschnelle Reflexe und einen sehr hohen IQ, ihre umfassende Bildung ist allerdings beschränkt auf die Bücher, die sie lesen darf. Sie weiß, dass sie für große Aufgaben bestimmt ist und dank der Experimente mit der geheimnisvollen Dschungelblume Epidendrum elysius, kurz Elysia genannt, nicht nur perfekt sondern sogar unsterblich ist. Und sie sehnt den Tag herbei, an dem sie endlich in das sogenannte Immortis-Team aufgenommen wird, um daran mitzuwirken, ein männliches Pendant zu sich zu schaffen.

Dennoch scheint etwas zu fehlen und die tolpatschige neue Wissenschaftlerin Harriet Fields stößt hier eine Tür auf, als sie - verbotenerweise - über die Pia völlig unbekannte Außenwelt plaudert. Und der Roman hat längst seine immense Sogwirkung entfaltet, wenn Pia an ihrem 17. Geburtstag ein Loch im Zaun entdeckt, der Little Cam sonst so perfekt abschirmt. Sie will das geschützte Camp allerdings gar nicht verlassen, sondern nur den Hunger nach neuem Wissen stillen.

Als sie den Regenwald betritt, ist sie fasziniert. Noch mehr jedoch, als sie beim Herumstreifen auf den Ureinwohner Eio trifft, einen überaus lebendigen und attraktiven Teenager. Welch ein Gegensatz tut sich auf zu den emotionslosen Menschen im Camp und zu dem sterilen wie eintönigen Kosmos dort. Von nun an schleicht sie sich immer öfter hinaus und lernt vieles, das ihr eigentlich verboten ist - wobei die aufkeimenden Gefühle sich bei ihr auch dank ihres Aufwachsens erst sehr langsam entwickeln.

Ohnehin weiß Pia sehr wohl, dass eine Verbindung zwischen dem sterblichen Eio und ihr als Unsterblicher etwas Unmögliches wäre. Doch sie hat gewissermaßen vom Baum der Erkenntnis genascht, als sie das Paradies verlassen und das Jenseits kennen gelernt hat. Obendrein erfährt sie Ungereimtheiten von "Tante" Harriet - sie nennt alle Wissenschaftler Tante oder Onkel - die sie ahnen lassen, dass es dunkle Geheimnisse hinter den für sie noch hermetisch verschlossenen Labortüren gibt.

Zu den packenden Spannungselementen gehört hier gerade das Ungewisse und all das, was Pia nicht weiß und als Ich-Erzählerin auch dem Leser nicht verraten kann. So wird auch er von immer neuen Wendungen mitgerissen. Und die Situation spitzt sich zu, denn Forschungsleiter Onkel Paolo, ein in seinem Fanatismus mit kalter Härte vorgehender Wissenschaftler, verlangt auch von ihr Tests, die mit hohen psychischen Belastungen einhergehen. Noch fügt sich Pia und sieht die Schaffung des perfekten Menschen als großartiges Ziel an.

Dann aber explodiert das Geschehen geradezu und es kommen nicht nur unfassbare Tatsachen hinter all dem wissenschaftlichen Streben heraus, die Pias Weltbild zerstören. Der nun anbrechende Showdown, in den auch Eio und sein Dorf hineingezogen werden, ist an Dramatik kaum zu überbieten und absolut filmreif. Fazit: ein grandioses Debüt, das dank der hervorragend gezeichneten Charaktere wie auch der Naturbeschreibungen aus dem Regenwald nicht nur junge Leser ab etwa 14 Jahre sondern auch Erwachsene als außergewöhnliches Lesevergnügen, das sehr nachdenklich stimmt, begeistern dürfte.

# Jessica Khoury: Die Einzige,. In deinen Augen die Unendlichkeit (aus dem Amerikanischen von Ursula Höfker); 435 Seiten; Arena Verlag, Würzburg; € 17,99

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)