JAMES ELLROY: "DER HILLIKER-FLUCH"

1958, ein zu Zornesausbrüchen neigender zehnjähriger Junge, der scheidungsbedingt bei seiner Mutter lebt, wünscht ihr bei einem erneuten Streit den Tod an den Hals. Und tatsächlich wird diese Jean Hilliker drei Monate später in Los Angeles gefunden, vergewaltigt und mit ihrer eigenen Strumpfhose erdrosselt.

Daraus hat der für seine ebenso vulgären wie grandiosen düsteren Krimis berühmte James Ellroy sein neuestes unter dem Titel "Der Hilliker-Fluch" gemacht. Aber - dies ist keine Fiktion, kein Roman, stattdessen eine wüste, mitreißende Melange aus Autobiographie und Kriminalreportage, denn Jean Hilliker war im wirklichen Leben seine Mutter und er selbst hatte diesen Fluch ausgestoßen, der auf seine solch makabre Weise erfüllt werden sollte.

Mag Ellroy den Tod seiner Mutter zunächst auch als Befreiung empfunden haben, sein "erfolgreicher" Fluch lies ihn nie wieder los. Hier beschreibt er schonungslos, wie er aus dem danach unausweichlichen Zusammenleben mit dem heruntergekommenen Vater und dessen gesundheitlichen Absturz in die Kleinkriminalität abrutschte. Drogen, Alkohol und vor allem eine regelrechte Sexsucht beherrschten seine Jahre als Teenager und junger Mann. Seine ständige Frauenjagd - nicht umsonst lautet der Untertitel "Meine Suche nach der Frau" - hatte etwas Manisches, denn er begann mit intensiven Streifzügen als Spanner und der Trieb steigerte sich bis zur kriminellen Obsession.

Er flüchtete sich in die Navy, um schon bald wieder rauszufliegen, es kamen Jahre der Abhängigkeit, Obdachlosigkeit, Kriminalität und Haftstrafen. 1975 wäre er schließlich fast an einer schweren Psychose und einer Lungenkrankheit gestorben und erst danach fing er sich. Und begann zu schreiben, wobei Frauenmorde immer wieder ein Thema waren. 1987 dann der große Durchbruch mit dem auch erfolgreich verfilmten Kriminalfall "Die schwarze Dahlie" - nach einem wahren Fall aus seinem eigenen Geburtsjahr 1948, bei dem eine angehende Hollywood-Schauspielerein einem spektakulären Sexualverbrechen zum Opfer fiel.

Für Ellroy waren die Parallelen zum Fall seiner Mutter so zwingend, dass er unermüdlich die seinerzeit ins Leere gelaufenen Ermittlungen wieder aufnahm. Auch er konnte den Fall nicht aufklären, aber er machte einen weiteren Krimi daraus. Doch er schildert in dieser romanhaften wüsten Lebensbeichte auch seine psychotischen Lebensweise, wo er in abgedunkelten Zimmern manisch vor sich hinschreibt. Und immer wieder die Suche nach Frauen, ebenso wahnhaft, beziehungsunfähig mit einem Hang zum Typus seiner rotblonden Mutter.

Mag die Rückschau auch die letzte Beziehung mit einem leisen Hoffnungsschimmer versehen, James Ellroy bleibt sich in seinem zynischen Sarkasmus, mit dem er das Leben und die US-Gegenwart sieht, unerbittlich treu. Das ist einerseits von brachialer Sprachgewalt, andererseits aber auch von einer nur schwer erträglichen düsteren Meisterschaft geprägt. Fazit: eine außergewöhnliche Lektüre, wenngleich nichts für empfindsame Leser.

# James Ellroy: Der Hilliker-Fluch. Meine Suche nach der Frau (aus dem Amerikanischen von Stephen Tree); 254 Seiten; Ullstein Verlag, Berlin; € 19,99

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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