SIMON WINCHESTER: "DER ATLANTIK"

Nicht weniger als eine Biographie eines Ozeans hat der vielfach preisgekrönte britische Wissenschaftsjournalist Simon Winchester mit seinem neuen Buch "Der Atlantik" versucht. Das kann angesichts der unermesslichen Fülle an Daten, Fakten und Geschichten natürlich kein umfassendes Werk sein, ein wunderbar erzählendes Sachbuch ist es allemal geworden.

Zum Einstieg gehört die Entstehung des Atlantiks vor rund 190 Millionen Jahren, die Winchester als studierter Geologe hervorragend zu erläutern versteht. Das zweitgrößte Weltmeer dann jedoch als eigenen Ozean zu erkennen. sollte bis weit in die Menschheitsgeschichte dauern. Die Mittelmeervölker waren zwar bereits geübte Seefahrer, an den Säulen des Herakles vorbei in dieses furchterregende offene und oft wilde Gewässer hinauszusegeln trauten sich erst die Phönizier.

Sie wagten sich im 7. Jahrhundert vor Christus hinaus und fanden an Spaniens Nordküste höchst wertvolle Purpurschnecken. Hatten sie auch das Tor zum Atlantik geöffnet und gab es auch zunehmend Seefahrer, die entlang der Atlantikküsten Europas und Afrikas fuhren, hinaus auf den offenen Ozean wagte sich erst 1492, also 1800 Jahre nach den ersten Versuchen der Phönizier, ein gewisser Columbus

Dem der Autor allerdings erhebliche Beschränktheit vorwirft, denn der verstand auf all seinen Fahrten nicht, dass er einen neuen Kontinent entdeckt hatte. So war es die Ironie der Geschichte, dass dieser Kontinent den Namen "Amerika" erhielt nach jenem Amerigo Vespucci, der entlang der brasilianischen Küste segelte und die Größe erkannte. Zugleich wurde der Atlantik damit zu einem eigenständigen, abgegrenzten Ozean.

Geradezu schnurrenhaft beschreibt Winchester, wie der italienische Seefahrer mit seinem kleinen Buch "Mundus Novus" über diese Entdeckung 1503 einen regelrechten Bestseller landete und dieses Amerika dadurch erst populär machte. Die deutschen Kartografen Waldseemüller und Ringmann gaben dem noch namenlosen Landgebilde diesen Namen und Mercator setzte wenig später für das Riesengewässer zwischen der Alten und der Neuen Welt den antiken, von Herodot geprägten Namen Atlantik ein.

Doch dies sind nur einige der grundlegenden historischen Abrisse über den Ozean und der Autor lässt mal wissenschaftlich fundiert, mal geschichtenhaft bis zum Seemannsgarn folgen, was die Historie seit jenen Zeiten anfüllte. Da sind die Zeiten der Piraten, der Sklavenhandel und die massiv einsetzende Handelsschifffahrt ebenso wie die Verlegung der Transatlantik-Kabel. Natürlich finden auch die "Schlachten um den Atlantik" in beiden Weltkriegen ihren Platz wie auch spektakuläre Dramen auf See.

Insgesamt bietet dieses bunte Kompendium einen eindrucksvollen und aufschlussreichen Überblick über Wesen und Geschichte des Ozeans. (Eine Unterlassungssünde ist allerdings die fehlende Erklärung des Begriffes Atlantik.) Fazit: zwar nicht übermäßig wissenschaftlich gehalten, aber lebendig und unterhaltsam geschrieben.

 

# Simon Winchester; Der Atlantik. Biographie eines Ozeans (aus dem Englischen von Michael Müller); 528 Seiten, div. Abb.; Knaus Verlag, München; € 29,99

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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