PETER SPRENGEL: "GERHART HAUPTMANN"

Als Gerhart Hauptmann am 15. November 1862 im schlesischen Salzbrunn im Hotel "Preußische Krone", das sein Vater führte, auf die Welt kam, entwickelte er sich zu einem zarten, nervösen Kind. Seine Schulkarriere war bescheiden, aber Künstler wollte er schon früh werden.

Allerdings war lange nicht abzusehen, dass dieses künstlerische Multitalent einst einer der erfolgreichsten deutschsprachigen Literaten werden würde. Vieles begann er in jungen Jahren, ohne es abzuschließen, und in den kaum zwei Jahren als Landwirtschafts-Eleve zog er sich sogar eine schwerwiegende Lungenkrankheit zu. Bildhauer wollte er werden oder aber Schriftsteller. Eine wichtige Muse wurde schließlich Marie Thienemann, die ihn finanziell unterstützte und auch seine erste Ehefrau wurde.

All dies, vor allem aber die Vita des ungeheuer fleißigen Dichters hat nun zum 150. Geburtstag und zur 100-jährigen Wiederkehr der Verleihung des Literatur-Nobelpreises der wohl profundeste Hauptmann-Kenner Peter Sprengel auf fulminante Weise unter dem Titel "Gerhart Hauptmann. Bürgerlichkeit und großer Traum. Eine Biographie" zusammengefasst. Wiederholt hat der Professor für neuere deutsche Literatur an der Freien Universität Berlin Studien zu Hauptmanns Werk, seiner Bedeutung und seinen widersprüchlichen Verhaltensweisen in den großen politischen Krisen seines langen Lebens herausgebracht. Hier aber legt er eine alle Aspekte umfassende Lebensbeschreibung vor, die konsequent auf den umfangreichen Originalquellen fußt.

Umfang und Vielgestaltigkeit des dramatischen Hauptwerks Hauptmanns suchen ihresgleichen und unter den Novellen, Romanen, der Lyrik und vor allem den Theaterwerken finden sich allein 44 Dramen. Damit wurde er zum herausragenden Vertreter des Naturalismus, für den er mit dem Drama "Vor Sonnenaufgang" 1889 den Meilenstein setzte und mit dem er zum Star aufstieg. "Die Weber" waren sein frühes Hauptwerk, doch auch "Die Ratten", "Der Biberpelz" oder "Rose Bernd" sind noch heute gespielte Klassiker.

Das war sozialkritisch und Hauptmann stand den Sozialdemokraten damals nah. Gleichwohl stellt der Biograph fest, Hauptmann habe "der eigentlichen Politik ferngestanden". Um so verwirrender erscheint noch heute das Versagen als moralische Instanz, sei es bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges, sei es bei der Machtergreifung der Nationalsozialisten, die er anfangs sogar hofierte. Erstaunlich ist deshalb auch die Verehrung, die der Dichter trotzdem in der Sowjetunion genoss.

Als er schließlich 1946 in seinem Haus im jetzt polnischen Schlesien starb, folgte eine spektakuläre Überführung auf seine Lieblingsinsel Hiddensee und höchste Würdenträger der neuen sozialistischen Machthaber Ostdeutschlands gaben ihm das Geleit - es hätte ganz zu Hauptmanns Selbstverständnis als überparteilicher Dichter gepasst, so wie es Peter Sprengel hier präzise dargelegt hat..

Er macht vieles verständlicher in der wechselhaften Vita dieses ebenso angefeindeten wie umjubelten Pioniers des Naturalismus. Bei allem Detailreichtum und der Wissenschaftlichkeit dieser Arbeit kommt dem Biographen das große Verdienst zu, den außergewöhnlichen Künstler dennoch verständlich und teils romanhaft spannend porträtiert zu haben.

 

# Peter Sprengel: Gerhart Hauptmann. Bürgerlichkeit und großer Traum. Eine Biographie; 848 Seiten, div. Abb.; C. H. Beck Verlag, München; € 38

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

Dieses Buch bei Amazon.de bestellen. 


Kennziffer: Bio 305 - © Wolfgang A. Niemann - www.Buchrezensionen-Online.de