RALPH V. TURNER: "ELEONORE VON AQUITANIEN"

Eleonore von Aquitanien (1124-1204) war die berühmteste Königin des Mittelalters. Sie zog mit Ludwig VII. in den Zweiten Kreuzzug (1147-1149), wurde an seiner Seite Königin von Frankreich und später durch den zweiten Ehemann Königin von England und auch Mutter zweier englischer Könige. Dennoch hat das Bild dieser klugen und zeitweise sehr mächtigen Herrscherin so viele dunkle Flecken, dass es für abenteuerliche Romane und Filme über eine berüchtigte liederliche Adelsfrau aber nicht für eine wissenschaftlich fundierte Biographie reichte.

Die legte nun Ralph V. Turner vor, Professor für mittelalterliche Geschichte an der Florida State University, der in seinem umfassenden Werk unter dem Titel "Eleonore von Aquitanien. Königin des Mittelalters" das fragwürdige Bild von seinen teils abstrusen Mythen und Legenden befreit. Die nicht sehr umfangreichen Quellen zeitgenössischer Chronisten bereiteten dabei ein doppeltes Dilemma, denn zum Einen wurden Eleonore schon zu Lebzeiten übelste Gerüchte über ihren unmoralischen Lebenswandel angehängt bis zu der schon sachlich aberwitzigen Behauptung, sie habe auf dem Zweiten Kreuzzug sogar mit dem berühmten Sarazenenführer Saladin angebandelt - der zu dieser Zeit kaum zwölf Jahre alt war.

Zum Anderen ist die unmittelbare Faktenlage zumindest hinsichtlich der Denkweise und konkreter eigener Aussagen der Königin so dürftig, dass sich der Historiker jeglicher Spekulationen über Motive enthielt und entweder die gesicherten Quellen auswertete oder bei den Chronisten zwischen den Zeilen las. So in den historischen Kontext gestellt, entsteht ein gleichwohl faszinierendes Bild einer starken Frau, die zu Recht für ihre Durchsetzungskraft und Selbständigkeit in einer ansonsten reinen Männerwelt berühmt war.

Die fundierte Biographie ist hier mindestens so spannend wie die angedichteten Exzesse, denn diese Herzogin von Aquitanien und damit des gesamten Südwesten Frankreichs heiratete mit 13 Jahren den kaum älteren französischen König Ludwig VII. Diesen mönchisch erzogenen Herrscher begleitet sie auf dem völlig missglückten Kreuzzug, wo es zum Zerwürfnis kommt, das selbst der Papst trotz persönlichem Eingreifen nicht mehr heilen kann. Kaum vom Vater ihrer "nur" zwei Töchter geschieden, ehelicht sie Henry Plantagenet, neun Jahre jünger als sie und baldiger König Henry II. von England.

Unter den acht überlebenden Kindern der Beiden waren mit Richard "Löwenherz" und John "Lackland" (Ohneland) gleich zwei künftige englische Könige. Eleonore förderte die Kunst und fungierte zeitweise als mächtige Regentin für den abwesenden König. Der sie jedoch auch fast 16 Jahre gefangen setzte, als sie sich beim Aufbegehren gegen ihn auf die Seite der Söhne stellte. Und auch für König Richard übte die in jungen Jahren als Schönheit gerühmte Eleonore die Regierungsgewalt aus, als er in der Gefangenschaft der Staufer steckte.

Wer dazu noch von ihrem sonstigen Wirken und ihrem großen Einfluss bis ins hohe Alter liest, wundert sich weniger, in welchem Ausmaß diese Frau durch aberwitzige ehrenrührige Gerüchte geschmäht wurde, wobei sich die Kirche besonders hervortat. Von diesen Mythen befreit und vor dem Lichte einer wild bewegten Zeit erweist sich Eleonore von Aquitanien als eine mindestens so beeindruckende Persönlichkeit der Zeitgeschichte wie in den belasteten Überlieferungen - hier jedoch endlich auf seriöse Weise.

Fazit: diese Rehabilitation einer der herausragenden Figuren des Mittelalters ist meisterhaft gelungen und auch dank der überaus lebendigen Erzählweise ein großes Lesevergnügen.

 

# Ralph V. Turner: Eleonore von Aquitanien. Königin des Mittelalters (aus dem Amerikanischen von Karl Heinz Siber); 496 Seiten, div. Abb.; C. H. Beck Verlag, München; € 24,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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