WILLIAM HASTINGS BURKE: "HERMANNS BRUDER"

Kaum zu glauben aber wahr: ausgerechnet Hermann Göring, einer der größten und mächtigsten Nazi-Verbrecher, soll einen Bruder gehabt haben, der ganz das Gegenteil war und sogar dutzendweise Menschen vor der Schergen des Regimes rettete.

Als der junge australische Student William Hastings Burke davon erfuhr, ließ ihn diese fast völlig unbekannte angebliche Heldengestalt nicht mehr los. Es zog ihn nach Deutschland und seine mehrjährigen Recherchen bestätigten es - die sogenannte Liste der 34 Geretteten existierte wirklich und der jüngere Göring war tatsächlich ein selbstloser Retter Verfolgter.

Unter dem Titel "Hermanns Bruder. Wer war Albert Göring?" hat Burke auf der Grundlage seiner Untersuchungen eine Biographie verfasst. Gänzlich auf eigene Rechnung entstanden, ist sie zum idealistischen wie auch spannenden Protokoll geraten. Er forschte in Archiven und interviewte ehemalige Weggefährten und Angehörige von Menschen, denen Albert Göring geholfen hat.

Was für Gegensätze die Göring-Brüder waren - der polternde brachiale Machtmensch Hermann, einer der engsten Vertrauten Hitlers und fanatischer Antisemit. Dagegen der feingeistige jüngere Albert, studierter Maschinenbauer, ein kultivierter Frauenfreund. Und nicht nur in seiner hohen schlanken Gestalt das Gegenteil vom bombastischen Reichsluftmarschall, sondern auch in der nazi-feindlichen Grundhaltung.

Schon 1928 verließ er die Heimat und wurde österreichischer Staatsangehöriger. Bis die Alpenrepublik 1938 "heim ins Reich" geholt wurde. Bald schon begann Albert Göring, mit Hilfe seines Namens Verfolgten zu verhelfen. Es waren namhafte Persönlichkeiten unter den Geretteten, Juden, Nicht-Juden und aktive Nazi-Gegner. Immer wieder stieß Albert Göring mit der Gegenseite zusammen und stieg dennoch 1939 zum Exportleiter der Skoda-Werke in Brünn auf. Mit diesem Hintergrund requirierte er sogar KZ-Insassen als Zwangsarbeiter - die er dann in Wirklichkeit in die Freiheit schickte.

Angeblich verriet er auch wichtige militärische Geheimnisse, doch auch so geriet er derartig in Schwierigkeiten, dass er viermal inhaftiert wurde. Und jedesmal geschieht das kaum Glaubliche: der mächtige große Bruder haut ihn raus. Doch so wie der Name Göring zu Kriegszeiten immer wieder die Vertreter der Staatsmacht einschüchterte, wurde er nach dem Krieg zum Fluch. Schon die amerikanischen Besatzer, die Albert Göring im selben Verhörzentrum gefangen hielten wie Bruder Hermann, konnten nicht glauben, dass der Jüngere sogar ein Widerständler gewesen sein sollte.

Dreiste Lügen warfen sie ihm vor und selbst, als seine "Liste der 34" von etlichen Betroffenen bestätigt wurde, übergaben die Amerikaner ihn lediglich an die tschechoslowakischen Behörden. Erst 1947 sprach ihn das Gericht aufgrund entsprechender Zeugenaussagen frei, auf die Beine aber kam Albert Göring nicht mehr - eben wegen dieses schlimmen Namens. Die Zeit war noch nicht reif für Oskar Schindlers Liste oder die des Albert Göring, der ohne Dank und Ehrung 1966 verarmt in München verstarb.

Um so eindringlicher wirbt William Hastings Burke dafür, diesem Wohltäter und Gerechten in einer schlimmer Ära eine angemessene Würdigung zukommen zu lassen. Und ein spannender Filmstoff wäre auch das Leben dieses "kleinen" Schindlers.

 

# William Hastings Burke: Hermanns Bruder. Wer war Albert Göring? (aus dem Englischen von Gesine Schröder); 237 Seiten; Aufbau-Verlag, Berlin; € 19,99

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

Dieses Buch bei Amazon.de bestellen. 


Kennziffer: Bio 297 - © Wolfgang A. Niemann - www.Buchrezensionen-Online.de