MIKE LANCASTER: "0.4 - EINE PERFEKTE NEUE WELT"

Einen ungewöhnlichen Einstieg für einen ebensolchen Jugendroman hat Mike Lancaster für seinen Thriller "0.4 - Eine perfekte neue Welt" gewählt, denn er beschreibt erstmal, was ein Buch ist. Dies geschieht durch den "Herausgeber" des Ganzen, der offenbar in einem zukünftigen Jahrhundert lebt und von interessanten wissenschaftlichen Funden und ihrer Auswertung berichtet.

In einem alten Haus hatte man unter einer Treppe drei besprochene Kassetten gefunden und tatsächlich noch eines der altertümlichen Abspielgeräte dazu. Danach hat Anfang des 21. Jahrhunderts ein 15-Jähriger namens Kyle Straker seine Geschichte erzählt, die für die Wissenschaftler Erstaunliches kundtut. Ganz harmlos fängt der Bericht damit an, dass es im Städtchen Millgrove bei Cambridge alljährlich einen Talentwettbewerb gab. Diesmal will sich auch Kyles Freund Danny daran beteiligen, und zwar mit einer Hypnose-Aktion.

Als Adepten melden sich außer Kyle auch dessen Ex-Freundin Lilly sowie eine etwas verschrobene Lehrerin und ein eigenbrötlerischer Postbote. Was bis dahin mäßig interessant wirkte, schlägt nun ganz plötzlich um, denn als die Vier aus der Hypnose erwachen, ist nichts mehr, wie es war. All die hunderte von Zuschauern sind zu blicklosen Statuen erstarrt. Daheim benehmen sich Kyles Eltern plötzlich völlig untypisch, nämlich sehr harmonisch, und er bemerkt, dass sämtliche elektronischen Geräte einschließlich Telefon und Radio entweder nicht mehr funktionieren oder wie der Computer nur noch kryptische Zeichen zeigen.

Ungleich schlimmer ist jedoch der Besuch des Hausarztes, denn Kyle hört beim Lauschen, er sei sein Null-Vierer: "Ihm ist nicht zu helfen. Man wird sich um den fall kümmern." Da hilft nur noch die Flucht, die Kyle mit Lilly unternimmt, der es daheim exakt genau so ergangen ist. Die vagen Erklärungen, die die Beiden sowie die Lehrerin und der Postbote als einzige noch "normale" Menschen allmählich erfahren, sind ebenso unfassbar wie haarsträubend: die vier haben durch ihren Ausnahmezustand während der Hypnose das allgemeine Upgrade des "menschlichen Betriebssystems" verpasst.

In Szenen von subtilem Horror werden sie mit der erschreckenden Tatsache konfrontiert, dass die Menschheit zugunsten von Frieden und Harmonie auf die Version 1.0 hochgeschaltet wurden. Die Vier - und wie sie später herausfinden, noch andere Gruppen von Menschen, die den Prozess durch Ausnahmezustände gewissermaßen verpasst haben - sind dagegen auf der alten Version 0.4 stehen geblieben.

Mit der fatalen Folge der Inkompatibilität: wie zwei nicht zueinander passende Computerprogramme gibt es keine Kommunikation mehr. Die 1.0-Generation hat sogar gänzlich vergessen, dass es die Null-Vierer je gegeben hat oder dass sie noch existieren. Wenn die drei Bänder zu Ende abgehört sind, bleibt offen, wer die mysteriösen Programmierer des Upgrading waren - geheimnisvolle Mächte oder gar Außerirdische? Der "Herausgeber" gibt zwar immer wieder Kommentare zu Kyles Bericht, ganz wie jemand, der schwer oder gar nicht Verständliches aus der Sicht einer weit zukünftigen Gesellschaft zu erklären versucht. Über seine eigene Identität jedoch erfährt man nur, dass er offenbar Wissenschaftler ist.

Dieser intelligente Roman erzählt eine packende Geschichte, die tief unter die Haut geht und noch lange nachklingt. Sie überzeugt dabei mit wahrlich unheimlichen Szenen und kommt doch ganz ohne Blutvergießen oder Horrorgestalten aus. Fazit: man mag es Future Fiction nennen oder Dystopie - "0.4" ist einfach exzellente Spannungslektüre mit viel Tiefgang, absolut fimlreif und ganz sicherlich nicht nur für junge Leser ab 14 Jahre ein großartiges Lesevergnügen.

 

# Mike Lancaster: 0.4 - Eine perfekte neue Welt (aus dem Englischen von Peter Knecht); 272 Seiten; Oetinger Verlag, Hamburg; € 14,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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