NEIL MacGREGOR: "EINE GESCHICHTE DER WELT IN 100 OBJEKTEN"

Als Neil MacGregor 2010 in einer Radioserie der BBC die Geschichte der Welt anhand von 100 Objekten aus dem von ihm geleiteten British Museum vorstellte, wurde das ein sensationeller Erfolg. Nun liegen MacGregors wissenschaftlich und zugleich unterhaltsam gehaltenen Ausführungen als Buch vor und macht die Begeisterung noch verständlicher.

"Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten" lautet auch hier der Titel und der Zugang erfolgt ebenfalls ganz und gar über menschgemachte Gegenstände. Die einzelnen Kapitel zeigen jeweils in exzellenten Aufnahmen das Objekt, aus dem der Experte vielfach erstaunliche Schlüsse zu ziehen vermag. Entgegen üblichen Geschichtsbüchern, die um so breiter im Stoff werden, je mehr sie sich Neuzeit und Gegenwart nähern, widmet sich MacGregor besonders ausführlich dem Werden der Zivilisation aus den Anfängen.

Die beginnen bei ihm mit steinernen Schneidewerkzeugen der Oldowan-Kultur im heutigen Tansania, circa zwei Millionen Jahre alt. Entdeckung und Entstehung von Menschenhand werden dargelegt. Die Verwendung und mutmaßliche Bedeutung, aber auch der Eindruck, den die uralten Ausstellungsstücke dem Betrachter vermitteln, finden Niederschlag. Ganze Entwicklungszyklen werden fundiert beschrieben und auch das ein oder andere Vor- oder Fehlurteil widerlegt.

Welche Geheimnisse lässt das Goldene Lama (um 1500 n.Chr.) vom erstaunlichen Riesenreich der Inkas erahnen und wie groß muss der Zwiespalt von Freude und Frust bei dem 1833 in Nord-Wales gefunden Goldenen Schulterkragen von Mold sein: etwa 4000 Jahre alt und voller Rätsel, die kaum zu lösen sind, da die Ausgräber das Umfeld unwiederbringlich zerfledderten. Um so leichter und aussagekräftiger sind da zum Beispiel Dukaten zur Zeit spanischer Weltmacht, die als eine Art früher globaler Währung erklärt werden. Zu der dann die Kreditkarte aus den Vereinigten Arabischen Emiraten aus dem Jahr 2000 als modernste Variante passt und doch viel mehr offenbart.

Immer wieder werden die Gegenstände zu Symbolen für ganze Epochen oder zu identitätsstiftenden Symbolen ihrer damaligen Gesellschaft. Wohltuend ist dabei, dass der britische Autor jeden Eurozentrismus vermeidet. Vielmehr sind gerade der afrikanische Kontinent und China besonders stark vertreten als Wiege der Menschheit beziehungsweise frühe Hochkultur.

Die Art der Darstellung und der bei aller Ernsthaftigkeit unterhaltsame Stil des gesamten Werkes machen es zu einem einzigartigen Geschichtsbuch voller aufregender Entdeckungen und Überraschungen, das man trotz seines gewichtigen Umfangs nur ungern wieder aus der Hand legen mag.

 

# Neil MacGregor: Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten (aus dem Englischen von Waltraud Götting, Andreas Wirthesohn und Annabel Zettel); 816 Seiten, 159 Abb. und 4 Karten; C. H. Beck Verlag, München; € 39,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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