SIMON SEBAD MONTEFIORE: "JERUSALEM. DIE BIOGRAPHIE"

Jerusalem ist einzigartig als Haupststadt zweier Völker und Zentrum dreier Weltreligionen. Und damit zugleich ein Paradoxon, denn kaum eine Stadt hat eine solche Geschichte voller Gewalt, Unmenschlichkeit und Dauerstreit wie diese.

Der großen Aufgabe, dieser Stadt, die für Juden, Christen und Muslime heiliger Mittelpunkt der Welt ist, einer Chronik zu schreiben, hat sich der insbesondere durch seine Russland-Bücher als kenntnisreicher Historiker berühmte Brite Simon Sebag Montefiore gewidmet. "Jerusalem. Die Biographie" nennt er das mächtige Werk und es ist in der Tat ein wild bewegtes Leben, das diese Stadt seit ihrer Gründung durch Stammvater David vor über 3000 Jahren hinter sich gebracht hat.

Propheten, Eroberer, Könige, Heilige, Verbrecher, Kreuzfahrer und Kalifen sorgten für immer neues Blutvergießen, aber auch für einzigartige Bauwerke. Große Blütezeiten wechselten mit Verwüstungen. Hier hatte einst das Judentum seine Quelle, bis die Römer unter Titus 70 n.Chr. den Heiligen Tempel zerstörten und hunderttausende Juden in die Sklaverei verkauften.

Der größte antike Judenvernichter jedoch wurde Hadrian, der ab 130 n.Chr. die wiederholten jüdischen Revolten mit massenhafter systematischer Ausrottung und Versklavung endgültig unterband. Montefiore beschreibt in seinen ebenso präzisen wie höchst lebendigen Darstellungen aber nicht nur die berühmten Ereignisse einschließlich solch finsterer Gestalten wie König Herodes, sondern auch jene wenig bekannten Epochen zwischen der Vertreibung der restlichen Juden und den nächsten Hochzeiten mit Sarazenen und Kreuzrittern im Mittelalter sowie zu den frühen osmanischen Zeiten.

Gleich, wo immer man das gewaltige Buch aufschlägt, stets ist das durchaus berechtigterweise als "Zentrum der Welt" bezeichnete Jerusalem in Bewegung und selten ist diese friedvoll. Bildhaft und mitreißend erzählt Montefiore diese Leidensgeschichte und mag er auch selbst Nachfahre des berühmten zionistischen Vordenkers Sir Moses Montefiore (1784-1885) sein, die Abstammung beeinflusst die Präzision des Gelehrten in keiner Weise. Zudem brachte der für seine Recherchefähigkeiten gerühmte Autor teils unbekanntes Archivmaterial ein und verstand es andererseits, die ungeheure Fülle vorhandener Quellen sinnvoll zu kanalisieren.

Montefiore verfolgt die Biographie dieser Stadt der Städte bis zur Wiedervereinigung nach dem Sechstagekrieg von 1967. Die weitere Fortführung benötige angesichts des bis dato weiterschwelenden Nahost-Konfliktes eine quasi tägliche Aktualisierung. Was er jedoch vorgelegt hat, darf als Standardwerk zur Geschichte Jerusalems angesehen werden. Fazit: ein großartiges Buch, aber bei aller spannungsreichen Erzählkunst auch eine Herausforderung und weniger als Kaminlektüre geeignet.

 

# Simon Sebad Montefiore: Jerusalem. Die Biographie (aus dem Englischen von Ulrike Bischoff und Waltraud Götting); 872 Seiten, div. Abb. und Karten; S. Fischer Verlag, Frankfurt;

€ 28

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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