ARTHUR SLADE: "MISSION CLOCKWORK"

1870 in Frankreich, Zigeuner stellen in ihrem Kuriosenkabinett ein furchtbar entstelltes Kind aus. Doch der missgebildete Junge hat eine außerwöhnliche Gabe, denn er kann willentlich sein Aussehen verändern. Da taucht Mister Socrates auf, oberster Geheimdienstchef Ihrer Majestät Queen Vitorias, und erkennt die Möglichkeiten für seine Zwecke. Er kauft den Jungen, nennt ihn Modo und nimmt ihn streng abgeschirmt in seine Obhut.

Dieser Modo steht jetzt im Mittelpunkt von "Mission Clockwork: Gefahr für das Britische Empire", einem hochspannenden Jugendroman des kanadischen Erfolgsautors Arthur Slade. Das Buch ist nicht nur der Auftakt zu einem Vierteiler, in dem jeweils das britische Weltreich auf dem Höhepunkt seines Glanzes in höchste Gefahr gerät, es hat auch alle Ingredienzen für eine Klassiker des Steampunk-Genres.

Mit Vorbildern wie H.G. Wells und Jules Verne spielen Romane dieser Gattung bevorzugt im 19. Jahrhundert, als Dampfmaschinen, zahnradgetriebene Mechanik und erste elektrische Erfindungen eine ungeheure Neugier und viel Fortschrittsglauben freisetzten. All die sich drehenden, klickenden, schwirrenden Räderwerke, Kolbenapparate und Zukunftsmaschinen mit ihrer fantasiesprühenden Präzision - wie hier oft gepaart mit viktorianischer Mode und Weltsicht - geben den damit einhergehenden Abenteuern einen Retro-Charme, der ungleich größer ist als all die glatten seelenlosen Superapparaturen der digitalen und Nano-Gegenwart.

Wie hier im London des Jahres 1874, in dem der ebenso geniale wie skrupellose Wissenschaftler Dr. Cornelius Hyde (Erinnerungen an Dr. Jekyll und Mr. Hyde sind kein Zufall!) an Entwicklungen von biologisch-mechanischen Wesen arbeitet. Von der Polizei verfolgt und fast mittellos, lässt er sich nur zu gern von Ingrid Hakkandottir, einer schwedischen Ex-Piratin, für ein großes Vorhaben der Clockwork Guild anwerben. Diese obskure Uhrwerk-Gilde hat nichts Geringeres vor als die Vernichtung des britischen Weltreiches.

Das ist auch der Einstieg in den Roman, in dem Modo inzwischen zu einem höchst fähigen Geheimagenten ausgebildet worden ist. Neben allerlei Kampftechniken hat er vor allem seine Fähigkeit vervollkommnet, bis zu fünf Stunden das Aussehen eines anderen Menschen anzunehmen. Da er unter seinen abschreckenden Deformationen an Kopf und Gesicht sehr leidet, aber auch zur Tarnung, trägt er ansonsten ständig Spezialmasken.

Nun mit 14 tritt er erstmals in Aktion und gerät sogleich an die gefährlichen Schergen der Clockwork Guild, hat jedoch auch die erste Begegnung mit der ebenso attraktiven wie durchtriebenen Octavia Milkweed. Die 15-jährige ehemalige Taschendiebin wurde ebenfalls von Mr. Socrates angeworben und wird schnell zu einer starken Partnerin für Modo. In einem düsteren London, wie wir es aus den großen Romanen von Charles Dickens kennen, geht es gerade Kindern oft sehr schlecht und auch hier werden sie scharenweise nicht nur verschleppt und versklavt sondern auf entsetzliche Weise von Dr. Hyde körperlich manipuliert.

Währenddessen wächst die Gefahr eines ungeheuren Anschlages auf das Zentrum des Empire und zu den abgefeimtesten Vorzeichen gehören Morde an Prominenten, für die andere Mitglieder der feinen Gesellschaft mittels Drogen und Hypnose zu ahnungslosen Tätern gemacht werden und selbst Prinz Albert, Enkel der Königin, wird zu einem Opfer für den ganz großen Tag. Nach immer neuen Kämpfen, Fluchten und unfassbaren Entdeckungen kommt es schließlich zu einem atemberaubenden Finale mit einer künstlich erschaffenen Wahnsinnsgestalt.

Mehr sei hier nicht verraten von diesem absolut packenden ScienceFiction-Abenteuer der im besten Sinne altmodischen Art. Das fesselt vor allem auch dank der hinreißenden Figuren von den beeindruckenden Bösewichtern bis hin zu Modo und Octavia. Diese Beiden sind großartig entworfen, haben aber für die nächsten Folgen auch noch einiges an Geheimnissen zu offenbaren, die jetzt allenfalls angedeutet werden.

Das Alles ist so wunderbar geschrieben und auch mit viel Sinn für trockenen bis schwarzen Humor durchsetzt, dass es nicht nur junge Leser ab 12 Jahre vollauf begeistern wird sondern auch erwachsene Leser, die sich noch heute gern an einschlägige Abenteuerromane wie die von Robert Louis Stevenson, Alexandre Dumas oder auch Jules Verne erinnern.

 

# Arthur Slade: Mission Clockwork: Gefahr für das Britische Empire (aus dem Englischen von Eva Plorin); 351 Seiten; Thienemann Verlag, Stuttgart; € 14,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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