PATRICIA CLOUGH: "EMIN PASCHA, HERR VON ÄQUATORIA"

Einer weitgehend vergessenen tragischen Figur der Kolonialgeschichte im Afrika des späten 19. Jahrhunderts widmet sich die britische Historikerin Patricia Clough mit ihrem jüngsten Buch "Emin Pascha, Herr von Äquatoria". Der Untertitel unterstreicht das Abenteuerliche dieses wahrhaft bewegten Lebens: "Ein exzentrischer deutscher Arzt und der Wettlauf um Afrika".

In Schlesien 1840 als Sohn eines jüdischen Kaufmanns geboren, wurde Eduard Schnitzer das Staatsexamen zum Arzt verwehrt. So zog es den polyglotten jungen Mann, der inzwischen zum Islam konvertiert war, nach verschiedenen Stationen 1875 in den damals britisch-ägyptischen Sudan, wo er als Arzt und Forscher wirkte.

Spannend aber wird es ab 1878, als er für die osmanischen Herrscher zum Gouverneur der Provinz Äquatoria avanciert. Hier im Süd-Sudan führt er nun als Emin Pascha ein von den Beamten und Soldaten wie auch von den "Eingeborenen" sehr geschätztes Regime. Als Mann der Wissenschaft sorgt dieser kein bisschen heldenhafte Statthalter für Fortschritte in der Bildung, der medizinischen Versorgung und vielem mehr.

1880 aber bricht der Mahdi-Aufstand islamisch-fundamentalistischer Kräfte aus und 1885 erobern die Aufständischen die sudanesische Hauptstadt Khartoum. Auf Jahre hin ist Äquatoria damit völlig von der Außenwelt abgeschnitten, liegt aber zugleich im Fokus kolonialer INteressen gleich mehrer Mächte. Während das britische Empire um den Sudan fürchtet, streckt der belgische König Leopold II. die Hände nach noch mehr Land im Osten seiner Privatkolonie Kongo aus und die kaiserlichen Patrioten erinnern sich daran, dass Emin Pascha doch eigentlich Deutscher ist.

Gleich mehrere Versuche, Emin zu retten, setzen nun ein, allen voran der ebenso berühmte wie obskure Abenteurer Henry Morton Stanley - seinerzeit Retter des britischen Missionars David Livingstone und nun erneut in Diensten des raffgierigen belgischen Königs. Zugleich versucht es der nicht minder rabiate Carl Peters von Deutsch-Afrika aus kommend. Stanley ist zwar derjenige, der Emin als erster erreicht, doch die ausgemergelte Rettungstruppe braucht ironischerweise mehr die Hilfe des Pascha als umgekehrt.

Der "Befreite" entzieht sich jedoch dem herrischen Stanley und schließt sich stattdessen den Deutschen an, für die er nun sogar Gebiete südlich des Viktoria-Sees erforscht, damit sie kolonialisiert werden können. Es gehört zur Tragik seines Lebens, dass ausgerechnet er mit seiner eher philantropischen Gesinnung dann 1892 auf einer Expedition ins Landesinnere von arabischen Sklavenhändlern ermordet wird.

Die hohe Qualität dieser teils spannend wie ein Roman geschriebenen Biographie eines ungewöhnlichen Lebens liegt neben der hervorragenden Recherche vor allem auch auf der Darlegung der Winkelzüge des Kolonialismus in dieser Epoche der wetteifernden Großmächte. Fazit: Emin Pascha, eine Figur wie von Karl May erfunden und dennoch gänzlich real und zugleich Stoff für ein großes Afrika-Filmepos.

 

# Patricia Clough: Emin Pascha, Herr von Äquatoria. Ein exzentrischer deutscher Arzt und der Wettlauf um Afrika (aus dem Englischen von Peter Torberg); 336 Seiten, div. Abb.; Deutsche Verlags-Anstalt, München; € 22,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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