INGRID THURNHER: "AUF DEN SPUREN DES UDO PROKSCH"

Es schien alles gesagt über Udo Proksch, den schmuddeligen Napoleon, der über Jahrzehnte in Österreich für Klatsch und Skandale sorgte und schließlich 2001 als verurteilter Mörder im Gefängnis bei einer Herzoperation starb. Dann jedoch tauchte bei Peter Coeln von der Wiener Galerie "Westlicht" ein dubioser Händler auf und offerierte das bis dahin verschollene Proksch-Archiv.

Nun hat die ORF-Spitzenjournalistin Ingrid Thurnher diesen Schatz mit tausenden von Fotos, Briefen, Dokumenten und vielem mehr ausgewertet und daraus ein neues Porträt gefertigt. "Auf den Spuren des Udo Proksch. Der Zuckerbäcker, der eine ganze Republik verführte" lautet der etwas großspurige Titel, der aber gerade so zu dem kleingewachsenen Wichtigtuer mit dem narzisstischen Charisma passt, der einmal als "kriminelles Gesamtkunstwerk" bezeichnet wurde.

Die familientypische Sammelwut bot die Chance für einen quasi unverfälschten Blick auf die Vita dieses Sprosses überzeugter Nazis, der 1934 in Rostock geboren wurde. Fast das gesamte Leben lässt sich bis in manch skurrile Einzelheiten nachvollziehen - bis auf jene düstere "Lucona"-Affäre von 1977, als sein infamer Versicherungsbetrug um eine angebliche Uranerzaufbereitungsanlage gewissermaßen als Begleiterscheinung den Tod von sechs Seeleuten beim Untergang des Schiffes einschloss.

Wie danach die Verschleppung der Aufklärung, die Flucht und die späte Aufarbeitung in den 80er Jahren für einen politischen Skandal mit weitreichenden Folgen sorgte, darüber findet sich in dem gesamten Konvolut des Archivs nicht der Hauch eines Hinweises. Zufall oder Absicht, wer weiß...

Dennoch hat das Buch seinen Wert, denn die Autorin führt einen einzigartigen Lebenskünstler mit genialischen Zügen vor und belegt so manche Geschichte, die bisher als übertrieben oder gar als Räuberpistole galt, mit echten Dokumenten. Proksch war tatsächlich schon als Student an der Wiener Akademie für angewandte Kunst erfolgreich als Designer und er hatte unglaublichen Erfolg bei den Frauen, angefangen von Burgschauspielerin Erika Pluhar als erster Ehefrau bis hin zu schönen Adelsdamen. Doch als gewiefter Manipulator versammelte er schließlich im berühmt-berüchtigten "Club 45" die gesamte Nomenklatura der Politik um sich, allen voran SPÖ-Bundeskanzler Bruno Kreisky.

Schon der Weg dahin war ein Bubenstück, denn der längst zum Bürgerschreck gewordene Proksch machte sich 1972 zum Inhaber der k.u.k. Hofzuckerbäckerei Demel, einer uralten Institution der Republik. Und wer an diesem Netzwerk noch zweifelte: Mitgliederlisten, Fotos und Korrespondenz belegen alles, passend zu Proksch' Devise: "Ich will nicht besitzen, sondern nur über etwas verfügen." All das passte zu seinem exzentrischen Charakter, wobei dem gänzlich ideologiefernen Provokateur Konventionen egal und Religionen zuwider waren.

Wenn ein solcher Liebling der Society den Verein "Freunde der Senkrecht-Bestattung" gründet, einmal sogar Japan den Krieg erklärt wegen angeblicher Spionage im "Demel" und eine ganze Politikergeneration am Gängelband führte, wäre das ein wahres Schelmenstück. Erst das "Lucona"-Verbrechen kehrt das Alles in ein düsteres Licht. Wenn die Autorin dies mit einem eher knappen Abschlusskapitel bewenden lässt, schmälert das den Wert des Buches gleichwohl keineswegs. Vielmehr zeigt es in bisher nicht möglicher Deutlichkeit, wes Geistes dieser Udo Proksch war, auch wenn manches wohl nie ganz geklärt werden wird.

Fazit: eine hervorragend gelungene Schilderung eines unglaublichen Lebens, romanhaft verrückt, aber mit realen Fakten untermauert.

 

# Ingrid Thurnher: Auf den Spuren des Udo Proksch. Der Zuckerbäcker, der eine ganze Republik verführte; 328 Seiten, div. Abb.; Ecowin Verlag, Salzburg; € 23,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

Dieses Buch bei Amazon.de bestellen. 


Kennziffer: NF 245 - © Wolfgang A. Niemann - www.Buchrezensionen-Online.de