JOCHEN THIES: "DIE MOLTKES"

Zwei Vertreter der Familie von Moltke sind wie kaum sonst jemand mit der deutschen Geschichte verbunden. Helmut Carl Bernhard von Moltke war als Chef des preußischen Generalstabs (1886) für den Sieg über Österreich bei Königgrätz verantwortlich und trug durch seine geniale Strategie dazu bei, die Einigungskriege zum Erfolg zu führen.

Treuer Soldat seines Königs der eine, Begründer und führender Kopf des „Kreisauer Kreises" und damit Widerstandskämpfer gegen die nationalsozialistische Diktatur der andere herausragende Vertreter der Familie von Moltke. Diese Wandlung innerhalb der Familie versucht Jochen Thies in seiner Familienbiografie „Die Moltkes" anhand exemplarischer Persönlichkeiten aus der Familie nachzuzeichnen.

Neben Helmut Carl Bernhard, dem Generalfeldmarschall Wilhelms I., portraitiert er auch Helmut Johannes Ludwig von Moltke, seinen Neffen, dessen Karriere ähnlich verlief wie die des Onkels. Allerdings endete seine Karriere schon wenige Wochen nach Beginn des ersten Weltkriegs, als er für das Debakel der Marne-Schlacht verantwortlich gemacht wurde und von Erich von Falkenhayn abgelöst wurde.

Deutlich arbeitet Thies heraus, dass Moltke der Jüngere nicht das Format seines Onkels gehabt hat: „Er wollte nicht Generalstabschef werden. Aber er konnte auch nicht nein sagen. Er war unfähig, Konsequenzen irgendwelcher Art zu ziehen." Diese beiden Militärs sind typische Beispiele für die Familie von Moltke im 19. Jahrhundert. Wie sie waren viele Familienmitglieder hohe Offiziere des preußischen Königs und später des deutschen Kaisers.

Zwei Frauen nimmt Thies ebenfalls in seine Auswahl der herausragenden Persönlichkeiten der Familie auf und versucht am Beispiel dieser beiden Frauen zu verdeutlichen, wie durch sie andere weltoffenere Denkweisen in die Familie kamen, die letztlich die Entwicklung zu einer Persönlichkeit wie der Helmut James von Moltkes möglich machten.

Dorothy Rose Innes stammte aus Südafrika aus einer hochrangigen Juristenfamilie, verliebte sich auf einer Europareise in Helmut von Moltke und heiratete ihn 1905 in Pretoria. Das Paar hatte fünf Kinder. Das älteste war Helmut James. Thies beschreibt die junge Frau als weltoffene eher linke Liberale, die in ihren regelmäßigen Briefen an ihre Eltern das Zeitgeschehen scharfsinnig und differenziert kommentiert. Ihre Erziehung habe im Wesentlichen bewirkt, dass Helmut James schon früh gegen den Ungeist des Nationalsozialismus immunisiert worden sei. Die spätere Hinrichtung ihres Sohns musste sie nicht mehr erleben, denn sie starb bereits 1935.

Ähnlich Dorothy stammte auch Freya von Moltke, die Frau von Helmut James, aus einer bürgerlichen Bankiersfamilie. Schnell lebte sich die promovierte Juristin aus dem Rheinland in der ungewohnten Umgebung auf Gut Kreisau ein und wurde auch aktiv in der Bewirtschaftung des Betriebs. Sie stand an der Seite ihres Mannes und war auch in seine konspirativen Aktivitäten eingebunden. Sie wurde jedoch nicht verhaftet und lebte bis zum 1. Januar 2010. Sie engagierte sich für die Begegnungsstätte, zu der das Gut Kreisau 1990 umgewandelt wurde.

Helmut James Graf Moltke ist heute wohl der bekannteste Vertreter der Familie. Mit seiner aktiven und führenden Rolle im Kreisauer Kreis sind er und seine Mitstreiter wichtige Elemente der Identität der Bundesrepublik Deutschland geworden. Selbst wenn die politischen Vorstellungen des Kreisauer Kreises aus heutiger Sicht autoritär und patriarchisch erscheinen, sind sie wichtiges Element des Widerstands gegen den Hitlerfaschismus, selbst wenn Helmut James und die ‚Kreisauer’ sich einem aktiven Widerstand wie dem vom 20. Juli nicht anschlossen.

 

 

# Jochen Thies: Die Moltkes. Von Königgrätz nach Kreisau. Eine deutsche Familiengeschichte; 374 Seiten, div. Abb.; Piper Verlag, München;

€ 22,95

ATTO IDE

Dieses Buch bei Amazon.de bestellen. 


Kennziffer: Bio 274 - © Wolfgang A. Niemann - www.Buchrezensionen-Online.de