JANDY NELSON: "ÜBER MIR DER HIMMEL"

"Als hätte jemand den Horizont weggesaugt", so kommt es der 17-jährigen Lennie Walker vor, als ihre etwas ältere Schwester Bailey ganz plötzlich an Herzversagen stirbt. Auch ihre ebenso liebenswerte wie skurrile Oma und der kiffende Onkel Big, bei denen sie lebt, können ihr nicht aus der bodenlosen Trauer helfen, denn die große Schwester war der Mittelpunkt für sie, in dessen Schatten sie gut mit dem Leben zurechtkam.

Damit beginnt Jandy Nelsons sensibler Jugendroman "Über mir der Himmel", der für die junge Kalifornierin nun jedoch eine wahre Achterbahn der Gefühle zum Chaos auftürmt. Mag sich Lennie noch so sehr in sich zurückziehen, so verliebt sie sich ausgerechnet jetzt und das auch noch doppelt! In ihrer Unerfahrenheit weiß sie sich gar nicht zu helfen und vermisst die schützende Hand Baileys um so mehr, zumal die Hippie-Mutter der beiden Mädchen diese schon ganz früh verlassen hat.

Als Lennie Joe erstmals in der Highschool begegnet, verliebt sie sich Hals über Kopf in den musikalischen Tausendsassa mit dem magischen Lächeln. Quasi parallel dazu kommt sie sich aber auch ganz nah mit dem stillen, ernsten Toby. Diese Annäherung jedoch lässt ihre Gewissensbisse sogar ins Unermessliche explodieren, denn - Toby war Baileys fester Freund. Ist das nicht sogar Verrat an der geliebten Schwester, sich mit ihm zu küssen und noch mehr zu wollen?!

Es sei hier nicht verraten, ob und wie sich eine nicht zu schmerzliche Lösung finden lässt. Der Weg dahin aber ist eine wunderbare Geschichte über Tod und Trauerbewältigung wie auch über den Wirrwarr der Liebe. Als geniale Idee erweisen sich dabei die auch optisch abgesetzten Einschübe, in denen Lennie all jene Gefühle eröffnet, über die sie mit niemandem reden will. Auf kleinen Kritzelzetteln schreibt sie ihre Gedanken an Bailey nieder und lässt sie mal irgendwo liegen, mal irgendwohin fliegen, je nachdem.

Bei aller Poesie und trotz vieler Szenen voller Romantik oder Trauer ist der Autorin ein leichtfüßiger Roman mit hinreißenden Charakteren gelungen, der in seiner Sprachgewalt zwischen rotzigem Jugendslang und hoher Empfindsamkeit ein Gleichgewicht findet und die deutsche Übersetzung dazu darf als kongenial bezeichnet werden. Fazit: ein nicht ganz neues Thema ist hier so originell umgesetzt worden, dass es nicht nur junge Leser ab etwa 14 begeistern wird.

 

# Jandy Nelson: Über mir der Himmel (aus dem Amerikanischen von Catrin Frischer); 345 Seiten; cbj Verlag, MÜnchen; € 14,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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