TIM BLANNING: "TRIUMPH DER MUSIK"

Ein Genie wie Mozart musste mit den Lakaien speisen und starb trotz aller Meisterwerke völlig verarmt, während ein moderner Epigone wie Sir Elton John nicht nur ungeheuer reich ist, sondern längst mit den Royals gesellschaftlich verkehrt, und ein nur bedingt genialer Superstar wie Bono selbst von Politikern zu Ratschlägen herbeigezogen wird.

Dem schier unglaublichen Wandel von Musik und ihren Erschaffern vom Nischendasein an Höfen und Kirchen zum heutigen Stand im Zenit der Massenkultur zeichnet Tim Blanning in seiner spannenden Kultur- und Sozialgeschichte der Musik nach. "Triumph der Musik. Von Bach bis Bono" ist das umfassende Werk des Cambridge-Professors für Neuere Europäische Geschichte überschrieben.

Wie der Untertitel andeutet, überschreitet der Spezialist für das 18. und 19. Jahrhundert in seinem Bogen von 1700 bis in die Gegenwart sowohl die Grenzen der Epochen wie auch auf wohltuend offene Weise die zwischen "E" und "U", es geht also vom Barock über sämtliche Klassik bis hin zu Jazz, Pop und modernster elektronischer Musik. Das beginnt mit den genialen Hungerleidern Bach und Mozart, denen wirkliche Anerkennung erst posthum zuteil wurde, während Händel und Haydn zur richtigen Zeit am richtigen Ort wirkten und es bereits zu Lebzeiten zu Wohlstand durch ihre Kunst brachten.

Weg von höfischen oder sakralen Konzerten zu öffentlichen Veranstaltungen, darum geht es im Kapitel über Orte und Räume für Musikgenüsse. Wenn dann Auditorien, die zu tausenden zählen, Aufführungen beiwohnen, ist das nicht nur eine Öffnung der Musik zur Welt hin, es ermöglicht nun auch ersten Künstlerruhm. Der bei Superstars wie Pagagnini und Liszt durchaus schon erste Züge von Beatlemania aufzeigt. Große Aufführungsorte verlangen jedoch andere Techniken und ihnen sowie der Entwicklung neuer Instrumente widmet sich der Autor in einem eigenen Kapitel.

Da geht es dann gewissermaßen von der Stradivari-Edelgeige bis zur Stratocaster-E-Gitarre und nicht vergessen das vermutlich wichtigste neu entstandene Instrument der Neuzeit, das Klavier samt seinem großen Bruder, dem Flügel - schon im 18. Jahrhundert ein Spielgerät, das sich in erstaunlicher Geschwindigkeit als Muss im feinen Haushalt durchsetzte. Mindestens so wichtig wurden später die elektrischen Geräte zur Musikverbreitung vom Radio über die Jukebox bis hin zum Fernsehen.

Abschließend geht Blanning auf die Entwicklung der gesellschaftlichen Bedeutung der Musik und ihre Emanzipation als weltumspannendes Massenphänomen ein. Man denke nur an die soziologischen Umbrüche in den 60er Jahren, in denen Musiker wie Dylan und die Beatles unverzichtbare Impulse gaben, die bis heute nachwirken. Der Autor fügt den Kapiteln eine aufschlussreiche Zeittafel bei, unterhält aber auch deshalb so hervorragend, weil er trotz großer Detailfreude zwar eingehend aufklärt, sich jedoch nie in Faktenhuberei ergeht. Fazit: ein exzellenter Führer durch die Sozialgeschichte der Musik, die Musikfreunde ebenso begeistern dürfte wie gesellschaftspolitisch und kunsthistorisch Interessierten.

 

# Tim Blanning: Triumph der Musik. Von Bach bis Bono (aus dem Englischen von Yvonne Badal); 445 Seiten, div. Abb.; Edition Elke Heidenreich bei C. Bertelsmann, München; € 24,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

Dieses Buch bei Amazon.de bestellen.


Kennziffer: SB 284 - © Wolfgang A. Niemann - www.Buchrezensionen-Online.de