IAN BURUMA: "DIE DREI LEBEN DER RI KORAN"

Wenig weiß man in Europa über Yoshiko Otaka alias Ri Koran alias Shirley Yamaguchi. Dabei war die 1920 in der Mandschurei als Tochter japanischer Eltern geborene Yoshiko Yamaguchi - so ihr ursprünglicher Name - zeitweise ein großer Star in Asien und in den USA war ihr Anfang der 50er Jahre eine bescheidene Hollywood- und Broadway-Karriere vergönnt.

Ihr außergewöhnliches Schicksal nahm Ian Buruma als Grundlage für seinen nur teilweise fiktiven Roman "Die drei Leben der Ri Koran". Vor allem der erste Teil beruht in starkem Maße auf der Autobiographie des einstigen Gesangs- und Schauspielstars sowie Interviews mit ihr. Sato Daisuke fungiert hier als erster Erzähler und er schildert den Aufstieg der jungen Frau, die für ihre Rolle als Idol sowohl für die Chinesen wie auch die japanischen Herren des Marionetten-Staates Mandschukuo ideale Voraussetzungen mitbrachte.

Li Xiang Lan - auf Japanisch Ri Koran gesprochen - sprach beide Sprachen, war sehr attraktiv und sah dabei weder typisch japanisch noch typisch chinesisch aus. Bei ihrem steilen Afusteig von 1938 an flogen ihr die Herzen zu und der sonst so sinistre Polizeistaat setzte sie gewinnbringend zu seiner Politik neuer asiatischer Größe unter japanische Führung als Sonderbotschafterin ein. Wie sehr sie den Chinesen als eine der ihren galt, bewies dann bei Kriegsende die Anklage als Landesverräterin seitens Chinas. Erst der Nachweis, eine waschechte Japanerin zu sein, rettete sie.

Im ihr fremden Japan erzählt dann Sidney Vanoven von der zweiten Karriere der Ri Koran und in ihm ist durchaus Donald Ritchie zu erkennen, Angehöriger der Zensurbehörde der US-Besatzer. Liegt das Kaiserreich zu dieser Zeit noch in Trümmern und versucht die Aktrice auch in den USA mit mäßigen Erfolg eine Schauspielkarriere, setzt sie sich nach ihrer Rückkkehr ab 1958 als Fernsehmoderatorin und Nachrichtensprecherin durch. Hier folgt schließlich als dritte Karriere ab 1974 für 18 Jahre die als Parlamentsabgeordnete. Erzähler ist nun Sato Kenkichi - eine ungewöhnliche Wendung, denn überdeutlich wird seine Verkörperung als Kozo Okamoto, einer jener Rote-Armee-Terroristen, die 1972 auf dem Tel Aviver Flughafen Lod ein Massaker anrichteten.

Doch ohnehin mag dies ein Roman sein und Yoshiko Yamaguchi die zentrale Figur darin - ihre Rolle spielt sie jedoch weit weniger als Person denn vielmehr als Personifizierung der Wandlungen Japans während ihres über 50-jährigen öffentlichkeitswirksamen Wirkens. Von der reaktionären Militärmacht über den Niedergang nach 1945 bis hin zur erfolgreichen Wirtschaftsgroßmacht reicht die Spanne. Während Ri Koran weitgehend ein Rätsel bleibt, fasziniert die mit ihr verbundene Geschichte samt der politischen Schattierungen von ganz rechts bis ganz links.

Das ist fesselnd erzählt und eröffnet spannende Einblicke gerade auch in die Bedeutung von Film und Propaganda als Ausdruck von Kultur und Psyche einer Nation, mal der Japaner in China, mal der Amerikaner in Japan. Fazit: eine höchst ungewöhnliche Biographie, bei der die porträtierte Persönlichkeit als facettenreiche Metapher für ein viel größeres Porträt dient.

 

 

# Ian Buruma: Die drei Leben der Ri Koran (aus dem Englischen von Barbara Schaden); 398 Seiten; Carl Hanser Verlag, München; € 24,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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