JOHN KEEGAN: "DER AMERIKANISCHE BÜRGERKRIEG"

Sir John Keegan gilt als einer der bedeutendsten Militärhistoriker der Gegenwart. Viele seiner Werke wie zum Beispiel die über den Ersten und den Zweiten Weltkrieg sind längst Standardwerke. Nun hat sich der ehemalige Dozent der Royal Military Academy Sandhurst des amerikanischen Bürgerkriegs angenommen.

Um es vorwegzunehmen: Keegan hat nicht die großen neuen Erkenntnisse in seinem umfassenden Werk zu bieten, vielmehr ist das eigentlich Interessante an seinen Ausführungen die verstärkte Hinwendung auf die rein militärischen Aspekte einschließlich der wichtigsten Heerführer. Keegan leitet "Der Amerikanische Bügerkrieg" mit der Feststellung ein, dass dieser Krieg im Gegensatz zum Beispiel zum Ersten Weltkrieg "kein unnötiger Krieg" war.

Er unterlegt diese These mit den Gegensätzlichkeiten, die sich zwischen dem reichen agrarischen Süden der USA und dem massiv erstarkenden Norden mit seinen Zuwandererströmen und der zunnehmenden Industrialisierung insbesondere in der Sklavenfrage entzündet hatten. So sehr, dass sich am 4. Februar 1861 sieben Staaten von der Union abspalteten, eine eigene Verfassung gaben und mit Jefferson Davis einen eigenen Präsidenten wählten.

Erfolgte die Sezession auch quasi über Nacht, so hatten sich die Gegensätze über Jahre unter anderem auch infolge der rapiden Entwicklung der USA mit riesigen geografischen Ausweitungen gen Westen aufgeschaukelt. Hinzu kam in der entscheidenden Phase, dass mit Abraham Lincoln ein politisch eher unerfahrener Gegner der Sklaverei zum neuen Präsidenten gewählt worden war. Historiker Keegan aber widmet sich dem am 12. April 1861 ausbrechenden Bürgerkrieg nun mit dem Schwerpunkt des militärischen Ringens und er kommt zu dem Schluss, dass dieser Krieg der erste "moderne" war.

Nicht durch einige wenige Schlachten zu gewinnen - stattdessen gab es allein an größeren Gefechten rund 200, die hier teils detailliert geschildert werden. Erstmals spielten moderne Techniken wie die Eisenbahn und neuartige Waffen eine entscheidende Rolle und wenn dieses vierjährige Gemetzel für Amerikaner "der große Krieg" ist, dann schon deshalb, weil darin allein auf den Schlachtfeldern über 200.000 Soldaten umkamen, mehr als die USA im gesamten Zweiten Weltkrieg verloren.

Auf fatale Weise modern aber war auch die Ausweitung auf eine Art "totalen" Krieg ab 1864, als General William T. Sherman bei seinem Südfeldzug die Losung ausgab, man müsse den gesamten Süden, also nicht nur dessen Armeen bekämpfen. Keegan belegt zudem, dass sich anfangs auf beiden Seiten unorganisierte Streitkräfte gegenüberstanden, geführt von Generälen, die dieselben Militärschulen absolviert hatten. Er porträtiert etliche von ihnen mit ihren Stärken, Schwächen und Eigenheiten wie den Zauderer McClellan, die Südstaaten-Haudegen Robert E. Lee und Stonewall Jackson sowie den Sieger und späteren Präsidenten Ulysses B. Grant.

Zugleich belegt er gerade für diesen und Sherman den Blick für entscheidende geostrategische Probleme in dem unendlich weiten und oft schwierigen Gelände mit vielen Flüssen, sperrenden Gebirgen und einer endlosen Küstenlinie. Hier macht Keegan auch deutlich, weshalb die Eroberung des Mississippi mit der Spaltung des Südens in zwei Hälften die Niederlage der bis dato trotz zahlenmäßiger Unterlegenheit überraschend zähen Konföderierten endgültig einleitete.

Keegans Werk gewährt einen fachmännischen Exkurs über den Bürgerkrieg, der vor allem dessen militärische Aspekte samt vielen Details und Deutungen beleuchtet. Dieses Buch ist gleichwohl weniger ein Standardwerk zum Thema als vielmehr eine spannende Ergänzung zur allgemeinen Literatur aus Sicht des Militärhistorikers.

 

# John Keegan: Der Amerikanische Bürgerkrieg (aus dem Englischen von Hainer Kober); 512 Seiten, div. Abb.; Rowohlt Verlag, Reinbek;

€ 26,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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