ERICH SCHAAKE: „BORDEAUX, MON AMOUR"

Die wahre Geschichte von der Rettung der französischen Stadt Bordeaux im August 1944, als die abziehende Wehrmacht großräumige Sprengungen vornehmen wollte, wurde erst mit 50 Jahren Verspätung allgemein bekannt und gewürdigt, weil die Wahrheit etlichen Dabeigewesenenen nicht in den Kram passte. Der Grund: es war nicht die die Resistance, die die Munitionsbunker vernichtete, sondern ein Oberfeldwebel der deutschen Marine.

Diesem Heinz Stahlschmidt aus Dortmund hat nun Erich Schaake mit seinem Non-Fiktion-Roman „Bordeaux, mon amour" ein würdiges Denkmal gesetzt, in dem allerdings auch eine junge Frau eine entscheidende Rolle spielt. Der gerade 23-jährige Vorzeige-Germane hatte als Kriegsfreiwilliger 1940 die Versenkung des Schweren Kreuzers „Blücher" im Oslo-Fjord überlebt, war nach zwei weiteren Untergängen aber nicht mehr schiffstauglich und diente nun in der Marineversorgungsstelle der bis Anfang 1943 errichteten riesigen U-Bootfestung.

Und hier in der Stadt traf er die Kino-Platzanweiserin Henriette, die beim Einmarsch der Besatzer im Juni 1940 gerade 18 war. Die Beiden verlieben sich ineinander und daraus wird eine richtige Liebesgeschichte – entgegen den generellen Weisungen für den Umgang von Soldaten mit französischen Frauen. Für die sexuellen Kontakte zwischen Wehrmachtsangehörigen und professionellen Damen gibt es ein strenges Reglement und ein entsprechendes Netz von Bordellen. Außer für Offiziere, denen spezielle Stundenhotels vorgeschrieben sind.

Der Autor schildert die Ausflüsse dieser typisch deutschen Regelungswut ebenso, wie er auch immer wieder historische Einschübe über die militärischen und sonstige wichtige Ereignisse einfügt. Wobei die Affäre von Heinz und Henriette in die beiderseits beäugten unerwünschten Beziehungen fällt, die es zu hunderttausenden gab. Weitestgehend echte Gefühlsbeziehungen einschließlich rund 200.000 „enfants de boches", dennoch mussten viele tausend dieser Frauen nach der Befreiung schlimme Drangsalierungen erleiden.

Die Liebe zwischen dem Sprengstoffspezialisten und der jungen Henriette aber sollte ganz andere Dimensionen bekommen, denn angesichts der im Sommer 1944 vorrückenden Alliierten hatte der deutsche Hafenkommandant Pläne für die umfassende Zerstörung des Hafens ausgearbeitet. Beim Rückzug sollte auf zehn Kilometer Länge alle 50 Meter eine Sprengbombe hochgehen. Wegen der unmittelbaren Nähe der Altstadt hätte es dabei vermutlich über 3000 Tote unter der Zivilbevölkerung gegeben und Vertreter der Resistance beknieten Stahlschmidt um Hilfe: „Das Schicksal Bordeauxs liegt in Ihren Händen!"

Im August überschlagen sich die Ereignisse. Einerseits geraten die Liebenden ins Visier der Gestapo, andererseits wird Stahlschmidt bewusst, dass er den Resistance-Kräften nicht helfen kann – er muss selbst tätig werden. Die Tat, die in jeder Armee der Welt als Hochverrat gegolten hätte, gelingt mit solchem Erfolg, dass sämtliche Munitionsbunker total zerstört werden und Stahlschmidt sogar unter den Opfern vermutet wird. Er hat 15 Kameraden geopfert, um mindestens 3000 Zivilisten zu retten. Sein Gewissen und die Liebe zu Henriette siegten über die soldatische Pflichterfüllung.

Um so bitterer mutet es an, dass sich Mitglieder der Resistance als Retter feiern ließen. Stahlschmidt, der sich als Henri Salmide einbürgern ließ und 1949 seine Henriette heiratete, fand erst 50 Jahre nach seiner heldenhaften Tat die gebührende Anerkennung in seiner Wahlheimat Bordeaux und wurde im Jahr 2000 endlich auch mit dem Orden der Ehrenlegion geehrt. Autor Schaake, der selbst seit langem in seiner Nachbarschaft lebt, hat Stahlschmidt vielfach interviewt und dieser erfuhr kurz vor seinem Tod im letzten Frühjahr noch von der Vollendung dieses Buches.

Mag einiges an diesem erzählenden Sachbuch auch etwas trivial verfasst sein, so wird doch eine wahre Geschichte vor realem, gut recherchiertem Hintergrund endlich aus der drohenden Vergessenheit geholt.

 

# Erich Schaake: Bordeaux, mon amour. Sommer 1944. Ein deutscher Soldat rettet Bordeaux – aus Liebe; 237 Seiten, div. Abb.; List Verlag, Berlin; € 19,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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