ANTONY BEEVOR: „D-DAY"

Es gibt eine Menge Literatur zur alliierten Invasion in der Normandie vom 6. Juni 1944, dennoch ist es dem Militärhistoriker Antony Beevor gelungen, dem eine umfassende Aufarbeitung hinzuzufügen, die nicht nur mit einer Fülle neuer Details aufwartet, man kann durchaus von einem neuen Standardwerk zum Thema sprechen.

D-Day. Die Schlacht um die Normandie" berichtet von den letzten Vorbereitungen der größten Invasion aller Zeiten bis zum Einmarsch der Befreier in Paris am 25. August. Wie schon bei seinen großen Werken zur Schlacht um Stalingrad und zum Endkampf um Berlin von 1945 erweist sich der ehemalige britische Offizier als exzellenter Kenner der Materie, der außer seinen intensiven Recherchen auch eine Fülle von Berichten und Erinnerungen einzelner Beteiligter einfließen lässt, die ein oft erschütterndes authentisches Stimmungsbild ergeben.

Nur etwa die Hälfte des Buches befasst sich mit dem eigentlichen D-Day am 6. Juni, der zu einem der blutigsten Ringen des Zweiten Weltkrieges gerät. Wie stets fesselt Beevor dabei mit seinem ebenso sachlichen wie leidenschaftlichen Schreibstil und mit der Unparteilichkeit des Wissenschaftlers eröffnet er ausführlich auch Aspekte, die das Ansehen der alliierten Kampftruppen unangenehm schmälern. Den Kriegsverbrechen insbesondere der SS-Truppen stehen mehr Fälle von Racheakten an deutschen Gefangenen und Verwundeten gegenüber, als bisher angenommen, und es gab in einigen Einheiten sogar ausdrückliche Befehle, keine Gefangenen zu machen.

Zugleich wird deutlich, wie unterschiedlich die Gegner waren, denn die deutschen Panzer und andere Waffen waren der alliierten Ausrüstung ebenso überlegen wie die kampferprobten und vielfach fanatischen Wehrmachtskräfte. Und es erklärt den ungeheuren Blutzoll seitens der Befreier, wenn man die geballte Macht gleich mehrerer SS-Panzerdivisionen im wochenlangen erbarmungslosen Ringen um die Normandie vorgestellt bekommt.

Während sich einerseits schwere Unwetter Ende Juni für die Invasionstruppen weitaus schlimmer als für die Verteidiger auswirkten, lagen zwei Vorteile massiv auf alliierter Seite: die schon im Vorfeld errungene absolute Luftherrschaft und die blindwütigen Fehleinschätzungen Hitlers als oberstem Kriegsherren, der für die dringenden und durchweg begründeten Appelle seiner erfahrenen Frontbefehlshaber längst gänzlich unzugänglich geworden war. Beevor schildert atemberaubende Einmischungen in die deutsche Kampfführung, allerdings berichtet er außer den ebenfalls bestehenden Kontroversen zwischen den deutschen Heerführern auch schonungslos von Strittigkeiten und Eitelkeiten zwischen Eisenhauer, Montgomery und anderen auf alliierter Seite.

Doch es wird auch eine Bilanz gezogen aus dieser Schlacht: die Soldatenverluste beliefen sich auf beiden Seiten auf jeweils rund 250.000 Mann. Damit steht die Schlacht um die Normandie jenen an der Ostfront in nichts nach. Hinzuzuzählen sind zudem rund 20.000 französische Zivilisten, nachdem bereits bei den vorbereitenden Luftangriffen über 15.000 Franzosen umgekommen waren. Antony Beevor fasst das Alles zu einem sachlich wie zugleich erschütternden Schlachtengemälde zusammen, in dem keine der vielen Einzelschlachten fehlt, und er lässt ahnen, wie anders Europas politische Landkarte bei einem Scheitern oder Unterbleiben der Operation „Overlord", dem größten Landungsunternehmen der Geschichte, ausgesehen hätte.

Fazit: ein meisterhaftes Standardwerk zum Thema, inhaltlich schwere Kost, aber brillant geschrieben.

 

# Antony Beevor: D-Day. Die Schlacht um die Normandie (aus dem Englischen von Helmut Ettinger); 637 Seiten, div. Abb.; C. Bertelsmann Verlag, München; € 28

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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