ROSS KING: „MACHIAVELLI"

Niccolo Machiavelli gilt als der faszinierendste und einflussreichste Denker der italienischen Renaissacne – mit einem denkbar schlechten Ruf. Es waren seine legendären Schriften wie „Il Principe" (Der Fürst) und die „Discorsi" (Gedanken über Politik und Staatsführung), in denen er zumindest nach heutiger Lesart jedem Staatslenker das Lügen, die Intrige wie auch skrupellose Härte statt Moral und Legitimität für das staatliche Handeln empfiehlt.

Stimmt diese Einschätzung überhaupt und vor allem: wer war der Mensch Machiavelli (1469-1527)? Diesen Fragen ist der kanadische Renaissance-Experte Ross King in seiner Biographie „Machiavelli. Philosoph der Macht" nachgegangen. Die setzt ein mit dem Karrierebeginn des humanistisch Gebildeten als Staatssekretär in Diensten der Republik Florenz, als diese sich 1498 soeben von der Regentschaft des fanatischen Mönchs Savonarola befreit hatte.

King schildert dabei auch den privaten Machiavelli, der offenbar kein verbiesterter Machtmensch sondern ein charmanter Genießer war, der trotz Frau und fünf Kindern ungeniert auch diverse Abenteuer suchte. Ohnehin stellt King den selbstbewusst bis arrogant agierenden und argumentierenden Diplomaten hinein in die Geschichte seiner Zeit. Die war geprägt von einem politisch zerklüfteten Italien, dessen Stadtrepubliken wie auch der Kirchenstaat ständig von Kriegen mit wechselnden Koalititonen bedroht waren, und nicht zu vergessen die heimtückischen Rankünen eines Cesare Borgia oder des skrupellosen Papstes Julius II.

Machiavelli gab zu seinen Dienstzeiten nicht die mit seinem Namen unsterblich verbundenen Rücksichtslosigkeiten und zynischen Handlungsempfehlungen vor, sondern versuchte angesichts wiederholter Bedrohungen das Beste für seine Heimatstadt zu erreichen. Dies war dann der Erlebnishintergrund, aus dem er seine berühmten Schriften entwickelte. Das jedoch erst, nachdem er 1512 nach der Rückkehr Giuliano di Medicis an die Macht entlassen und sogar auf Zeit aus Florenz verbannt worden war. Und es gilt bei den so zynisch klingenden Doktrinen zu bedenken, dass er sie unter die Bedingungen von Krieg, Bedrohung und Unrecht stellte – dann seien sie adäquate Verhaltensregeln.

Vor diesem Hintergrund entsteht sogar das Bild eines eher friedliebenden Republikaners, der dabei aber den Pragmatismus zum Prinzip vernünftigen Staatshandelns erhob. Bewusst widmet sich Ross King nicht den Inhalten der großen Schriften, sondern präsentiert den brillanten Denker als Person, stellt ihn in die außerordentlich bewegte Welt der Renaissance. Ebenso sachlich wie lebendig zeichnet er dabei ein plastisches Bild des Politikers, Philosophen und Lebemannes, der eines ganz offensichtlich nicht war: ein Finsterling.

 

# Ross King: Machiavelli. Philosoph der Macht (aus dem Englischen von Stefanie Kremer); 288 Seiten, div. Abb.; Knaus Verlag, München; € 19,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

Dieses Buch bei Amazon.de bestellen. 


Kennziffer: Bio 258 - © Wolfgang A. Niemann - www.Buchrezensionen-Online.de