BARBARA HOFFMEISTER: „S. FISCHER, DER VERLEGER"

Als der Verleger Samuel Fischer im Oktober 1934 starb, notierte sein wichtigster Autor Thomas Mann: „Ein Stück meines Lebens geht mit dem kleinen Juden, der ein Glückskind und eine Art von Genie war, ins Grab." Über seine Vita gibt es allerdings vergleichsweise wenig an Fakten und Beschreibungen, da der rührige Literaturunternehmer noch zu den Verlegerlegenden gehörte, die sich selbst eher im Hintergrund hielten.

Das ist auch der wesentliche Grund, warum Barbara Hoffmeisters „S. Fischer, der Verleger. Eine Lebensbeschreibung" nur in begrenztem Maße eine Biographie über den Sohn eines Seifensieders geworden ist, der am 24. Dezember 1859 – nach anderen Quellen bereits 1858 – in einem heute slowakischen Dorf im früheren Österreich-Ungarn geboren wurde. Die Autorin stellt Fischer stattdessen als Mitgestalter im Mittelpunkt einer Literatur- und Kulturepoche vor und nach 1900, in der sein Wirken nachhaltige Spuren hinterlassen hat.

Nach einer Buchhändlerlehre in Wien strebte er eine höhere soziale Existenz an und die besten Möglichkeiten dafür sah er im rasant aufstrebenden Berlin der Gründerzeit. 1879 hier angekommen, fing er zunächst als Gehilfe in einer Buchhandlung an, um schon bald Geschäftspartner seines Chefs zu werden. Ab 1885 ist Fischer offiziell Berliner Buchhändler und Verleger. Bestand sein Sortiment anfangs noch aus Kursbüchern und anderer Gebrauchsliteratur, wird daraus 1886 das, was noch heute als S. Fischer Verlag zu den bedeutendsten deutschen Verlagshäusern zählt.

Erste Erfolge brachten dann ausländische Autoren wie Ibsen, Zola und Dostojewski. Endgültig zum Literaturpionier aber wurde der zu Schwermut und Nervosität neigende Hypochonder, als er nacheinander solchen einheimischen Jungtalenten wie Gerhart Hauptmann und schließlich Thomas Mann zum Durchbruch verhalf. Von letzterem brachte er nach der Jahrhundertwende „Die Buddenbrooks" heraus, bis auf den heutigen Tag der wichtigste Erfolg des Verlages. Zu weiteren großen und wichtigen Namen, denen er sich als Individualverleger intensiv und mitgestaltend widmete, gehörten unter anderem Arthur Schnitzler, Hugo von Hoffmannstal und Hermann Hesse.

Förderte er durch sein Wirken mit Hauptmann und Mann gleich zwei Literatur-Nobelpreisträger noch zu Lebzeiten, so ermöglichte er dem späteren Laureaten Hesse immerhin den Start. Auch die von ihm verlegten ausländischen Autoren glänzten mit Rang und Namen wie George Bernard Shaw, Dos Passos oder Joseph Conrad. So typisch sein Verlagssignet, der Fischer mit dem Netz, für seine Geschäftspolitik des Autorenfischens und der lebenslangen Bindung derselben an den Verlag war, so pflegte er mit den meisten einen geradezu familiären Umgang.

Aber auch sonst glänzte Fischer durch Innovationen, wenn er zum Beispiel als Erster einen Lektor engagierte oder auch allgemein erschwingliche Sachbücher und preiswerte Reihen herausbrachte. Während sein freundlicher Charakter und sein Gespür für Autoren für das Erblühen des Verlages die Grundlage waren, gilt es auch seine Ehefrau Hedwig Landshoff zu würdigen, die zu Herz und Seele des Verlages wurde. Als die deutsch-jüdische Erfolgsgeschichte Anfang der 30er Jahre unaufhaltsam zusammenbrach, kann es gewissermaßen als Gnade angesehen werden, dass Fischer bereits so stark an Cerebralsklerose erkrankt war, dass er die erzwungenen Änderungen für seinen Verlag gar nicht mehr geistig mitbekam.

Barbara Hoffmeister schildert all dies sehr lebendig, verlässt allerdings auch häufig den Pfad des Biografischen, wenn sie ebenso kenntnisreich wie ausführlich eingangs die Lebenswelt des jungen Samuel Fischer in der Aufbruchzeit zwischen 1870 und der Jahrhundertwende beschreibt und außerdem die Kultur- und Literaturgeschichte analysiert, die Fischer prägte, die er aber auch selbst mitprägte. Die Verlegerlegende gewinnt durchaus Kontur, wenngleich manches nur vage ausgedeutet wird. Um so beeindruckender sind das umfangreich dargestellte Zeit- und Lokalkolorit. Fazit: man lernt das bewegte Leben eines kleinen großen Mannes kennen, der sich um die Literatur im deutschsprachigen Raum wie nur wenige verdient gemacht haben und dessen Name und Wirken bis heute in seinem Nachfolgeverlag weiterlebt.

 

# Barbara Hoffmeister: S. Fischer, der Verleger. Eine Lebensbeschreibung; 495 Seiten, div. Abb.; S. Fischer Verlag, Frankfurt; € 22,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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