PETER STAMM: „SIEBEN JAHRE"

Um aus einer der sattsam bekannten Dreiecksbeziehungen noch Funken schlagen zu können, bedarf es schon einer fesselndern Idee und so viel Blickschärfe für die zwischenmenschlichen Abgründe wie die eines Peter Stamm, von Beruf studierter Psychologe. In seinem neuen Roman „Sieben Jahre" lässt der Schweizer Erfolgsautor den Architekten Alex gegenüber einer alten guten Freundin eine Art Beichte ablegen, lange nachdem er privat und beruflich gescheitert ist.

Die lebenserfahrene und sehr unabhängige Künstlerin Antje hat einst vor 20 Jahren ein wenig dazu beigetragen, dass Alex mit seiner Kommilitonin Sonja zusammenkam. Er aus einfachen Verhältnissen, sie aus bürgerlichen Kreisen stammend, intelligent und zielstrebig und mit ihrer attraktiven Erscheinung überall sofort im Mittelpunkt stehend. Die Beiden werden ein Paar, bauen ein gemeinsames Architektenbüro auf, haben Erfolg - ein Paar wie aus dem Bilderbuch.

Wenn sich Alex nur nicht zuweilen so von ihr überfordert fühlen würde. Dann denkt er an eine frühere Geliebte, die ebenso spröde wie unattraktive Polin Iwona, ein wenig älter als er und in ihrer bigotten Art seltsam unterwürfig. Er hatte sie fast vergessen, doch nun, sieben Jahre danach, kommt ein Brief von ihr. Alex weiß selbst nicht warum, aber er trifft sich mit ihr und prompt beginnt er ein dauerhaftes heimliches Verhältnis mit ihr, obwohl sie jetzt nicht anziehender aussieht und nicht mal eine sonderlich gute Liebhaberin ist.

Was treibt ihn in diese obsessive Liebschaft - ihre Hingabe, ihre stille Liebe? „Sie nahm mich auf ohne Erwartungen und ohne Ansprüche", womit sie in ihrer gesamten Haltung wie schon in ihrem Auftreten zum völligen Gegenentwurf zu Sonja wird. Und während mit Sonja sämtliche Lebensentwürfe auf geradezu kühlem, ja fast distanziertem Pragmatismus fußen, findet Alex bei Iwona ein fast vergessenes Gefühl wieder: „eine Mischung aus Geborgenheit und Freiheit." Rational erklären aber kann er sein abwegiges Tun ebenso wenig wie die eigenen Abgründe.

Doch selbst, als Alex der Ausstieg aus dieser so bequemen Parallelwelt und die vermeintliche Normalisierung seiner Ehe gelingt, ist das keine Rettung. Als es zu einer erneuten Annäherung zu Iwona kommt, wird diese sogar schwanger, wogegen die Bemühungen seitens Sonja und Alex stets erfolglos blieben. Aber auch die verwegene Wendung, dass die Beiden Iwonas Tochter adoptieren, misslingt auf Dauer und schließlich scheitert nicht nur die Ehe, auch beruflich rutschen sie bis in die Insolvenz ab.

Während er auch Antje gegenüber nicht erklären kann, wie er der ungeliebten Iwona so verfallen konnte, weiß er zumindest das nie wirklich gefestigte Liebesglück mit Sonja einzustufen: „Wir kamen nie zur Ruhe." Beide waren sie Baumeister, doch das Leben lässt sich allenfalls ansatzweise planen. Zu vieles war zu rational und gerade deshalb musste auch das verquere Konstrukt mit Iwonas Kind scheitern.

Mit lakonischer und zugleich präziser Sprache verleiht Peter Stamm diesem emotionalen Wirrwarr – in dem echte 'normale' Liebe nur zwischen den Zeilen als Sehnsuchtsvorstellung durchscheint – eine überzeugende Ausgestaltung. Und lässt den großartigen Roman in der Frage gipfeln, wer denn wohl glücklicher ist: wer liebt oder wer geliebt wird?!

 

# Peter Stamm: Sieben Jahre; 298 Seiten; S. Fischer Verlag, Frankfurt; € 18,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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