PETER HENISCH: „DER VERIRRTE MESSIAS"

Kann man über Jesus einen intelligenten, witzigen und dazu noch spannenden Roman schreiben der zudem noch viel Tiefe hat und bei allen kritischen Tönen ohne Blasphemie auskommt? Dem österreichischen Erfolgsautor Peter Henisch ist dieses Kunststück mit seinem bravourösen Buch „Der verirrte Messias" gelungen. Dass es dabei Vermutung bleibt, ob dieser erstaunliche Wiedergänger der echte Heiland ist, tut der Klasse des Werkes keinen Abbruch.

Jeshua besteht auf der aramäischen Form seines Namens, heißt offiziell jedoch Mischa Myschkin – ja, nicht von ungefähr genau wie jener Titelheld aus Dostojewskis „Der Idiot". Als die Literaturkritikerin Barbara diesem Russland-Flüchtling erstmals begegnet, hat sie ihn als etwas nervigen Sitznachbarn auf dem Flug nach Israel. Im Gegensatz zu ihr ist er ganz vernarrt in die Bibel, allerdings beginnt er sie zunehmend zu faszinieren, als er ihr bemerkenswerte Interpretationen zu Textstellen gibt, die seiner Meinung nicht stimmen.

Zwar zweifelt Barbara ein wenig an seinem psychischen Zustand, als sie jedoch auf den Heiligen Geist zu sprechen kommen und er ihn als „Energie Gottes" umdeutet, gerät glatt die Flugzeugelektronik so durcheinander, dass sie in Rom zwischenlanden müssen. Dort bahnt sich schließlich im Hotel ein zwischenmenschliches Näherkommen an. Als sie an dem nackten Mischa jedoch die blutigen Jesus-Stigmata entdeckt, nimmt sie reißaus.

Die nun folgenden Erlebnisse Mischas in Israel lassen ihn immer mehr an sich selbst und an seiner mutmaßlichen Mission zweifeln – kann er gutheißen, was seit „damals" geschehen ist? Hat man ihn tatsächlich gekreuzigt und haben die Jünger seine Wiederauferstehung womöglich als raffinierte Täuschung inszeniert? Was wäre dann aber mit der Erlösung?

Während Henisch diese gewagten Passagen mit viel gedanklicher Tiefe, Ernsthaftigkeit und Bibelkenntnissen faszinierend in den Griff bekommt, funkeln wunderbare satirische Momente durch, sei es bei Mischas Flucht vor einem Donald Rumsfeld-Typen mit entsprechendem pseudochristlichen Geschwätz, sei es bei den brillant verfassten Briefen an Papst Benedikt und George W. Bush. Und natürlich kommen Barbara und Mischa wieder zusammen zu einer einzigartigen, aber recht schwierigen Romanze, schließlich ist dieser „Jeshua" weder Drogengenüssen noch dem Sex abhold. Ohne dabei jemals seine Rolle abzulegen, vielmehr steigert sich sein Zweifeln an der Gegenwart derartig, dass er sogar ans Konvertieren denkt: „Entweder vorwärts zum Islam oder zurück zum Judentum. Dem Christentum ist allem Anschein nach der Boden unter den Füßen weggezogen."

Das Alles fesselt bis zuletzt mit einem erstaunlich leichtfüßigen Duktus und beschert auch eher bibelfernen Lesern ein ganz großes geistreiches Lesevergnügen.

 

# Peter Henisch: Der verirrte Messias; 398 Seiten; Deutiscke Verlag, Wien; € 24,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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