EVA BARONSKY: „HERR MOZART WACHT AUF"

Im Dezember 2006 wacht ein kleiner noch recht junger Mann in einem fremden Bett in einer WG in Wien auf und wenn er nun in seiner Verwirrung als einziges mit Sicherheit lediglich weiß, dass er Wolfgang Amadeus Mozart ist, so weiß dies außer ihm nur noch der Leser dieses Romans, denn er hat die Sterbeszene vom 5. Dezember 1791 als Einführung gelesen.

Dunkel erinnert sich das Wolferl daran und dass er gewaltigen Blasendruck vor seinem Ableben hatte. Den er jetzt in die Jumbotasse Anjus ablässt, der abwesenden Betteigentümerin. Er lebt also noch? Oder wieder? Das kann nur den göttlichen Auftrag bedeuten, endlich sein Requiem zu vollenden. Zunächst aber steht ihm ein Kulturschock von 215 Jahren Zeitreise bevor, der es wahrlich in sich hat und solche Errungenschaften wie Licht ohne Kerzen, Fuhrwerke ohne Pferde oder kleine Kästchen, aus denen ganze Konzerte erschallen ohne irgendein Orchester, sind höchst verwirrend.

Doch die Hürden des Zurechtkommens sind noch weit vielfältiger in diesem hinreißenden Debütroman von Eva Baronsky unter dem so ahnungsvollen Titel „Herr Mozart wacht auf", der sogleich und bis zur letzten Zeile seine Sogwirkung entfaltet. Erst einmal stolpert Mozart von einem Fettnäpfchen ins andere und muss zu seinem Leidwesen erkennen, dass man ohne Ausweis quasi nicht existiert und er sich nur als Wolfgang A. Mustermann halbwegs retten kann vor unangenehmen Reaktionen. Da ist es ein glückliches Zusammentreffen mit dem polnischen Stehgeiger Piotr, damit er sich wenigstens überhaupt und dazu noch als Musiker durchschlagen kann. Trotzdem ist der Schock ungeheuer, als er im Beichtstuhl erfährt, er sei bereits 1791 verstorben.

Und zugleich entwickelt sich eine wunderbare Liebesgeschichte zwischen Wolferl und Anju, die sich noch herzerwärmender entfaltet als die gesamte übrige Geschichte. Deren unwiderstehlicher Charme entspringt nicht zuletzt dieser bezaubernden Mischung aus schelmischen wie auch tragikomischen Szenen und der eigenartig altmodischen Grazie, die insbesondere von der ebenso exzellent wie konsequent durchgehaltenen verschrobenen Ausdrucksweise Mozarts lebt.

Geradezu zwangsläufig landet dieser irgendwann im Irrenhaus und es nähert sich erneut ein 5. Dezember – wie ja auch das Requiem und dessen seinerzeitige von ihm nun als stümperhaft empfundene Vollendung zu großartigen Szenen führt. Mehr sei hier nicht verraten von dieser so märchenhaften und zugleich intelligenten Geschichte. Man leidet mit diesem genialen weltfremden Wolferl mit und erlebt einen eleganten Roman, der quasi nebenher auch eine tiefgründige Liebeserklärung an ihn und seine Musik ist. Fazit: ein schöneres Stück Literatur wird in diesem Bücherherbst kaum zu finden sein.

 

# Eva Baronsky: Herr Mozart wacht auf; 320 Seiten; Aufbau-Verlag, Berlin; € 19

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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