TANA FRENCH: „TOTENGLEICH"

Mit ihrem Debüt „Grabesgrün" gewann Tana French auf Anhieb den Edgar Allan Poe-Award, nun überbietet sich die irisch-amerikanische Autorin selbst mit einem ebenso gewagten wie gelungenen Psychokrimi unter dem Titel „Totengleich". Wie im ersten Fall steht Cassandra „Cassie" Maddox von der Dubliner Polizei im Mittelpunkt und sie geht ein großes, überaus gefährliches Wagnis ein.

In einem verlassenen Cottage wird eine Tote gefunden und Cassie ist geschockt, denn diese Lexie Maddison sieht ihr wie aus dem Gesicht geschnitten ähnlich. Das bringt den Chef der Undercover-Abteilung, Cassies alter Mentor Frank Mackey, auf die Idee, die Sonderermittlerin in die Rolle der Ermordeten schlüpfen zu lassen. Diese habe den Mordanschlag schwer verletzt überlebt, dabei allerdings ihr Gedächtnis verloren.

Nach angemessenem Krankenhausaufenthalt soll Cassie nun dieses höchst riskante Rollenspiel antreten. Dazu muss sie als Lexie in das abgelegene Whitethorne-Haus zurückkehren, ein seltsames altes Herrenhaus, in dem sie einer ziemlich eigenartigen Studentenwohngemeinschaft angehörte. Die vier Studenten Abby, Daniel, Justin und Rafe pflegen ein ausgefallenes Lebensmodell. Dieses Quartett ist im Übrigen nicht nur eine ebenso intelligente wie eingeschworene Gemeinschaft – einer von ihnen könnte auch Lexies Mörder sein. Und die gewagte Maskerade durchschauen...

Dieses raffinierte Vexierspiel erscheint zunächst weit hergeholt und dennoch gelingt Tana French die nötige Glaubwürdigkeit. Und das trotz der großen Fülle des Romans, denn sie beherrscht in einzigartiger Weise den minutiösen Spannungsaufbau aus oft nur minimalen Nuancen, aber auch das Schaffen hervorragender Charakterzeichnungen. Dabei zieht sie erst allmählich das Tempo an und bezieht auch das spezielle Ambiente der heruntergekommenen Villa geschickt mit ein. Das Spiel der Identitäten zieht schließlich auf überzeugende Weise in den Bann und die wunderbar farbige Prosa trägt das Ihrige bei zu einem vielschichtigen Lesevergnügen, das angesichts des gewaltigen Lesestoffs erstaunlicherweise mit einer einzigen Leiche auskommt.

Fazit: kein schneller Krimi, aber ein virtuos auf der psychologischen Spannungsklaviatur aufgebautes Stück Literatur auf gehobenem Niveau.

 

# Tana French: Totengleich (aus dem Englischen von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann); 780 Seiten; Scherz Verlag, Frankfurt; € 16,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

Dieses Buch bei Amazon.de bestellen. 


Kennziffer: BEL 651 - © Wolfgang A. Niemann - www.Buchrezensionen-Online.de