PAUL MORAND: „DIE KUNST, CHANEL ZU SEIN"

Gabrielle „Coco" Chanel (1883-1971) war eine der berühmtesten Frauen des 20. Jahrhunderts und eine Ikone der Emanzipation, die schon in den 20er Jahren mit Stil, Elegeanz und eisernem Willen ein Weltimperium schuf. Doch so viel auch über die nie verheiratete Mademoiselle Chanel geschrieben und getratscht wurde, ein authentisches Bild entstand erst durch Paul Morands aufgezeichnete Autobiographie „Die Kunst Chanel zu sein. Coco Chanel erzählt ihr Leben".

Erst 1976, kurz vor seinem Tod, veröffentlichte der hochangesehene Schriftsteller diese Lebensbeichte der einzigartigen Modeschöpferin. Dabei hatten die langen Sitzungen der Beiden bereits 1946 stattgefunden, als sie für viele Jahre im Schweizer Exil lebten. Beide hatten sich in Frankreich kompromittiert – sie wegen eines deutschen Attachés, der ihr Geliebter war und ihr einen Sonderstatus bei den Besatzern verschaffte, er als hoher Diplomat des Vichy-Regimes. Kennengelernt hatten sie sich allerings bereits 1921 bei einem Weihnachtessen mit Künstlern wie Picasso und Cocteau.

Gerade rechtzeitig zum Start von Anne Fontaines Film „Coco Chanel – der Beginn einer Leidenschaft" mit Audrey Tautou in der Titelrolle wurde diese Quasi-Autobiographie neu aufgelegt und sie besticht nicht zuletzt mit etlichen Porträtaufnahmen der Modezarin von berühmten Fotografen. Fragt man sich, wie authentisch Morands Aufzeichnungen sind, zumal er sie erst viele Jahre später zufällig wiederfand, so klingt doch das meiste nach einer mündlichen Selbstdarstellung, die das Mitglied der Academie Francaise gekonnt in eine literarische und zugleich sehr lebendige Form übertragen hat.

Die entbehrungsreiche Kindheit der frühen Waise, die ersten Männer an ihrer Seite, die in ihr einen armen ausgesetzten Spatzen sahen - „In Wirklichkeit war ich eine Wildkatze" - ihr ebenso kreativer wie geschäftlich unbeholfener Start in die Mode mit Hüten und dann der erste große Karrieresprung, als 1914 der Kriegsausbruch ihre so genialen wie einfachen Ideen zum Sensationserfolg führten – alles findet hier seinen Niederschlag in hinreißenden Schilderungen. Das strotz vor Anekdoten, trockener Selbstironie und witzigen Maximen.

Sie erfand das „kleine Schwarze", die Jersey-Mode und das legendäre „Chanel No. 5" und wenn sie dann wieder einer ihrer zahlreichen Liebesgeschichten überdrüssig war, weil ihr die Arbeit ungleich mehr bedeutete, gluabt man den überlieferten Satz: „Wie ich Leidenschaft hasse! Welch ein Gräuel, welch schreckliche Krankheit!" Zu ihrer gnadenlosen Selbstanalyse gehörte aber auch die Selbsteinschätzung, dass sie nichts zustande gebracht hätte, wäre sie intelligent oder gar intellektuell gewesen.

Paul Morand als Freund und Kenner jedenfalls bescheinigte ihr neben Genie und Charme auch heftiges Temperament, Absolutheitsanspruch und Autorität und resümiert: „Sie war eine erbarmungslose Schöne." Fazit: eine elegante Lektüre mit hohem Wahrheitsgehalt und auch für Leser von Interesse, denen Mode an sich eher gleichgültig ist.

 

# Paul Morand: Die Kunst, Chanel zu sein. Coco Chanel erzählt ihr Leben (aus dem Französischen von Annette Lallemand); 281 Seiten, etliche Abb.; SchirmerGraf Verlag, München; € 19,80

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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